Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bitte nicht anschauen!
> Die US-Ikonoklasten von Poliça spielen ohne ihren Mastermind, den
> Programmierer Ryan Olson,am Dienstag in der Columbiahalle. Ihr Auftritt
> wirkt wenig inspirierend und mehr wie Karaoke
Von Jan Jekal
Zwei Schlagzeuger, ein Bassist, eine Sängerin. Das Line-Up, mit dem die
US-Band Poliça auftritt, kommt etwas rhythmuslastig daher. Ganz so
abgefahren klingt ihre Musik dann gar nicht. Das liegt an dem fünften
Bandmitglied, dem Produzenten und Programmierer Ryan Olson, der die kühl
groovende Polyrhythmik seiner Kollegen um flächig-ominöse
Synthesizer-Figuren ergänzt. Olson tritt allerdings nicht mit der Band auf,
auch nicht am Dienstagabend im Columbia Theater. Was die übrigen vier dann
live so lösen, indem sie seine Beiträge einfach vom Band abspielen. Und so
entstehen ein paar performative Probleme.
Denn es irritiert, wenn man zwar eine vierköpfige Band auf der Bühne sieht,
die dominanten Klänge aber eindeutig nicht von diesen vier Menschen auf der
Bühne produziert werden. Das schöne Stück „Steady“ zum Beispiel, vom
aktuellen Album „When We Stay Alive“, wird von einer Akustikgitarre
dominiert; es gibt live bloß niemanden, der Akustikgitarre spielt, der
Sound der sachte schwingenden Saiten kommt also aus der Konserve, und es
entsteht eine Art Karaoke-Effekt, der die Autorität der Performance
untergräbt. Sängerin Channy Leaneagh wirkt dadurch ein wenig so, als hätte
sie gar nicht die Kontrolle über das, was auf der Bühne passiert, als
müsste sie darauf achten, nicht den Anschluss an den Backing-Track zu
verlieren.
## Nicht zuständige Drummer
Ähnlich die beiden Schlagzeuger, die ironischerweise (immerhin sind sie zu
zweit), manchmal gar nicht für die Beats zuständig sind – denn die sind
nicht selten elektronisch und kommen vom Band –, sondern für Veredelungen,
für den Feinschliff. Sie sitzen auch gar nicht hinter vollständigen
physischen Drumkits, sondern bespielen Mischungen aus Trommeln und
elektronischen Pads. Das Performance-Problem schließt sie also mit ein; es
ist häufig nicht erkennbar, welcher Sound woher kommt und wie die
Bewegungen auf der Bühne die Musik bedingen.
Die Band spielt Song um Song, wortlos einen nach dem anderen, und eine
Abwesenheit von Ansagen ist ja nicht unbedingt etwas Schlechtes, nur wirkt
es bei Poliça an diesem Abend, als wäre jedes Lied ein Eintrag auf einer
To-do-Liste, als wäre das Herunterspielen der Songs das Abhaken lästiger
Aufgaben. Als wäre es Arbeit. Und es ist ja auch Arbeit! Nur ist es
natürlich die Kunst von guten Performern, ihr Tun nicht wie Arbeit aussehen
zu lassen. Aber Leaneagh ist keine Performerin, zumindest nicht an diesem
Abend. Man hat den Eindruck, sie wäre am liebsten ganz woanders, und dieser
Eindruck bestätigt sich mit der einzigen Ansage, die sie an diesem Abend
macht. Sie bittet darum, das Licht gedämpft zu halten, damit sie das
Publikum nicht sehen müsse, denn sobald sie die Zuschauer sehe, sagt sie,
fühle sie sich unwohl auf der Bühne und wisse nicht mehr, was sie da
eigentlich mache. Sie sei sehr schüchtern. Ihr Unbehagen überträgt sich auf
die Anwesenden, denn man fühlt sich als Mitglied des Publikums nicht wohl
dabei, Menschen anzuschauen, die gerade deutlich gemacht haben, nicht
angeschaut werden zu wollen.
Komische Vibes also im Columbia Theater. Vielleicht ist Leaneaghs Unbehagen
auch darin begründet, dass sie nicht länger den Auto-Tune-Filter benutzt,
der zu einem Markenzeichen des Poliça-Sounds geworden ist. Die Software,
die Tonhöhen korrigiert und Stimmen roboterhaft verfremdet klingen lässt,
war bisher eine Möglichkeit Leaneaghs, technologisch vermittelt zu singen
und eben nicht ungefiltert. Mittlerweile lässt sie den Filter weg, ist
direkt, wenn auch mächtig verhallt, zu hören; eine neue Verwundbarkeit, mit
der sie möglicherweise noch nicht umzugehen weiß.
27 Feb 2020
## AUTOREN
Jan Jekal
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.