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# taz.de -- Prozess gegen Deniz Yücel: „Sie müssten Yücel freisprechen“
> Am Donnerstag wird der Prozess gegen den Journalisten Deniz Yücel
> fortgesetzt. Laut seinem Anwalt Veysel Ok bleiben türkische Gerichte
> unberechenbar.
Bild: Deniz Yücel und sein Anwalt Veysel Ok beim ersten öffentlichen Auftritt…
taz: Herr Ok, am Donnerstag wird der Prozess gegen den Journalisten Deniz
Yücel fortgesetzt. Er selbst wird nicht vor Gericht in Istanbul erscheinen,
Sie vertreten ihn dort. Was ist an den bisherigen fünf Prozesstagen
geschehen?
Veysel Ok: Das Verfahren hat vor zwei Jahren, nach der Freilassung von
Deniz Yücel begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Terrorpropaganda und
Volksverhetzung vor. Im Mai 2019 hat Yücel in Berlin seine Aussage vor
Gericht gemacht. Und im Juni kam ein Urteil vom türkischen
Verfassungsgericht, dem höchsten Gericht der Türkei. Laut diesem stellen
Yücels Artikel keine Straftat dar, seine Verhaftung sei deshalb
unrechtmäßig erfolgt und seine Berichterstattung vom Recht auf
Meinungsfreiheit abgedeckt.
Die Staatsanwaltschaft soll sich morgen zu diesem Entscheid äußern. Was
erwarten Sie?
Es liegt ein Urteil des Verfassungsgerichts vor. Und dieses hat eingeräumt,
dass Yücel keinerlei Straftaten begangen hat. Also müssten sie Yücel in
jedem Fall freisprechen. Aber das ist die Türkei. Hier kommt es manchmal
vor, dass untergeordnete Gerichte den Entscheidungen der übergeordneten
nicht Folge leisten. Deshalb kann es auch passieren, dass sie Yücel
schuldig sprechen, obwohl er freigesprochen werden müsste. Wir werden uns
das Plädoyer der Staatsanwaltschaft anhören und dementsprechend eine
Strategie entwickeln. Jedenfalls nähern wir uns so langsam dem Finale im
Fall Deniz Yücel.
Wird sich das Urteil in dem Prozess auf die Meinungsfreiheit in der Türkei
auswirken?
Nicht nur dieser Prozess, sondern viele andere zeigen, dass die türkischen
Gerichte in Fragen der Meinungsfreiheit grundsätzlich zu Schuldsprüchen
neigen. Urteile des türkischen Verfassungsgerichts oder selbst des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) werden dabei
übergangen. Ein aktuelles, prominentes Beispiel dafür ist der Fall des
Istanbuler Bürgerrechtler Osman Kavala, der im sogenannten Gezi-Prozess
angeklagt ist. Der EGMR verordnete, dass Kavala sofort freigelassen werden
solle. Das zuständige Gericht entschied im Januar aber, seine Haft
fortzusetzen. Das zeigt, welch schweren Stand die Meinungsfreiheit in der
Türkei hat. Viele Journalisten verbringen ihre Zeit in den Gerichten des
Landes, statt ihrer eigentlichen Arbeit nachzugehen. Auch wenn Yücel heute
nicht mehr im Gefängnis sitzt, viele seiner Kollegen tun das noch.
Aus dem Türkischen von Volkan Ağar
12 Feb 2020
## AUTOREN
Ali Çelikkan
## TAGS
taz.gazete
Politik
Opposition in der Türkei
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oben.
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