# taz.de -- Der Druck aus der FDP war zu groß | |
> Nach einer kurzen Schockstarre wandten sich fast alle führenden Liberalen | |
> gegen Kemmerich | |
Von Martin Reeh | |
Am Tag danach war der Druck zu groß. Bereits am Mittwochnachmittag hatten | |
altgediente Liberale wie die Düsseldorfer OB-Kandidatin Marie-Agnes | |
Strack-Zimmermann den Auftakt gemacht und den Rücktritt des neugewählten | |
Thüringer Ministerpäsidenten Thomas Kemmerich gefordert. Nach und nach | |
folgten andere FDPler: Generalsekretär Konstantin Kuhle, der | |
Parlamentarische Geschäftsführer Marco Buschmann, die | |
Friedrich-Naumann-Stiftung. | |
Selbst Partei-Vize Wolfgang Kubicki, der am Mittwoch zunächst von einem | |
„großartigen Erfolg“ für Kemmerich gesprochen hatte, sprach sich am | |
Donnerstag für Neuwahlen aus: „Die Erklärung der Minderheitskoalitionäre | |
aus Linken, SPD und Grünen, Fundamentalopposition zu betreiben, schafft | |
eine neue Lage“, sagte er. Am [1][Donnerstag zog Kemmerich die Reißl]eine. | |
Für die FDP kam die Wahl Kemmerichs zu einem schwierigen Zeitpunkt. In den | |
Umfragen haben sich die Liberalen bundesweit einigermaßen bei 8 bis 9 | |
Prozent stabilisiert. Aber sie haben noch immer nicht die Delle überwunden, | |
die nach ihrem Rückzug aus den Jamaika-Verhandlungen nach der | |
Bundestagswahl 2017 entstanden war. Damals hatten sie 10,7 Prozent | |
erreicht. | |
Das vergangene Jahr war von schlechten Wahlergebnissen bei der Europawahl, | |
in Sachsen und Brandenburg gekennzeichnet. In Thüringen schafft sie | |
immerhin, was sonst in keinem einzigem Ost-Bundesland gelang: der Einzug in | |
den Landtag. Mit 73 Stimmen über der Fünfprozenthürde. Und nun das. | |
Groß war auch der Druck aus Hamburg und Bayern, wo demnächst Bürgerschafts- | |
beziehungsweise Kommunalwahlen anstehen. „Die Wahl von Thomas Kemmerich zum | |
Ministerpräsidenten von Thüringen durch Stimmen der AfD ist für mich | |
unerträglich“, [2][twitterte die Hamburger Spitzenkandidatin Anna von | |
Treuenfels]. „Man muss Thomas Kemmerich zugute halten, dass er eine | |
Regierung aus der Mitte der Gesellschaft bilden wollte, aber er hätte die | |
Wahl nicht annehmen sollen“, sagte der bayerische Landeschef Daniel Föst | |
der taz. | |
Neben Kemmerich geht auch FDP-Chef Christian Lindner aus der Thüringer | |
Episode nicht unbeschadet davon. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir uns | |
gestern schneller und klarer positioniert hätten“, sagte Föst. Lindner | |
hatte am Mittwoch zwar davon gesprochen, dass er „persönlich nicht | |
Bundesvorsitzender einer Partei sein“ könne, „die eine wie auch immer | |
geartete Kooperation mit der AfD nicht ausschließt“. Zugleich hatte er aber | |
an Union, SPD und Grüne appelliert, „das Gesprächsangebot von Thomas | |
Kemmerich anzunehmen“. Eine Meldung von Business Insider, laut der Lindner | |
am Montag Kemmerich für seine mögliche Wahl mit den Stimmen der AfD „grünes | |
Licht“ gegeben habe, dementierte die FDP. Lindner kündigte am Donnerstag | |
an, im FDP-Vorstand die Vertrauensfrage zu stellen. | |
In den kommenden Tagen dürfte die FDP mit der Aufarbeitung der Thüringer | |
Ereignisse beschäftigt sein. „Ich erwarte, dass wir – auch auf unserer | |
Fraktionsklausur – eine Debatte darüber führen, wie wir aus der Situation | |
herauskommen“, sagte der Bundestagsabgeordnete Thomas Sattelberger der taz. | |
„Es kann nicht sein, dass wir eine Parteikultur haben, die zu solchen | |
Fehlschlägen führt.“ Der Erneuerungsprozess der FDP sei mit dem | |
Wiedereinzug in den Bundestag nicht abgeschlossen: „Wir brauchen eine neue | |
Debattenkultur, Hierarchiearmut und eine liberale Agenda, die weit in die | |
Zukunft reicht.“ | |
7 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /!5658340&SuchRahmen=Print | |
[2] https://twitter.com/AnnaVTreuenfels/status/1225091205706334208 | |
## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |