# taz.de -- Lieblich wird’s nur, wenn die Welt draußen bleibt | |
> Noch Kitsch oder schon Philosophie? Peter Trawnys Versuch einer | |
> „Philosophie der Liebe“ | |
Von Jakob Hayner | |
Einst waren die Menschen Kugeln, die von den Göttern kurzerhand zerteilt | |
wurden und seitdem auf der Suche nach ihrem Pendant sind. Das ist, was wir | |
Eros nennen. Oder Liebe. Der Philosoph Platon legt in der Schilderung eines | |
seiner weinseligen Gastmahle diese hübsche Erklärung dem Komödiendichter | |
Aristophanes in den Mund. Was und zu welchem Nutzen eigentlich die Liebe | |
sei, bewegt die Philosophie seit Anbeginn. Sie trägt die Liebe schon im | |
Namen, neben der Weisheit. Peter Trawny, vor allem bekannt als Herausgeber | |
von Martin Heideggers „Schwarzen Heften“, die den Judenhass des | |
Schwarzwaldschwätzers belegen, hat sich nun an einer „Philosophie der | |
Liebe“ versucht. Knapp 250 Seiten füllt der Leiter des | |
Martin-Heidegger-Instituts der Universität Wuppertal mit seinen Aphorismen. | |
Um Platon geht es dabei des Öfteren. Aber unter anderem auch um „Eyes Wide | |
Shut“, die Beatles oder um „Ronja Räubertochter“. | |
Die Liebe ist ein weites Feld. Aber was ist sie? Antwort Trawny: „Leben ist | |
gewissermaßen gar nichts anderes als – Lieben.“ Das ist, wie man unter | |
Philosophen sagt, normativ, nicht deskriptiv gemeint. Liebe soll in einer | |
sinnlosen Welt den Sinn stiften. Und sonst? „Liebe ist ein wichtiger Teil | |
unserer Intimität.“ So richtig lieblich wird’s nur, wenn die Welt draußen | |
bleibt, will uns der Philosoph sagen. Die Liebe sei ein Tempel der | |
Einzigartigkeit, der Schutz biete vor der bösen Porno-Welt (Tinder! Medien! | |
Kapitalismus!). Die Verkitschung der Philosophie, nach Thomas Bernhard das | |
Programm Heideggers, setzt Trawny bruchlos fort: Hier die hyggelige Hütte | |
des Eigentlichen, dort die kalte Moderne. Der Jargon der Nähe und Intimität | |
zieht sich durch das gesamte Buch, das außer aufgeblasenen Allgemeinplätzen | |
wenig zu bieten hat. | |
So kündigt Trawny im Gestus des unzeitgemäßen Gentlemans an, eine Lanze für | |
die Ehe zu brechen. Da wird’s abenteuerlich. Die Ehe beginnt zunächst bei | |
Adam und Eva, dann irgendwann im 16. oder vielleicht doch im 11. | |
Jahrhundert. In den Fußnoten ist zwar Michel Foucaults vierter Band von | |
„Sexualität und Wahrheit“ angegeben, in dem penibel der frühchristliche | |
Diskurs über die Ehe rekonstruiert wird, aber egal. Über die Ehe in der | |
bürgerlichen Gesellschaft kein Wort, Kant wird nicht einmal erwähnt. | |
Argumente für die Ehe? Fehlanzeige. Trawny grenzt sie ab vom | |
Schreckgespenst eines „neoliberalen Hedonismus, der Beziehungen plant wie | |
Urlaube in der Karibik“. Wer bitte tut das? Und warum sollte die Ehe das | |
Gegenteil sein? Es ist nicht das einzige schiefe Bild. Letztlich ist es die | |
„vertraute Schönheit Deiner alternden Hand auf meiner“, die das Eheplädoy… | |
plausibilisieren soll. Das allerdings kann man auch ohne Termin auf dem | |
Standesamt oder in der Kirche haben. | |
Zudem hat der Autor die unangenehme Vorliebe, zu jeder Feuilletondebatte | |
seine drei Zeilen Ungedachtes hinzuzugeben. Sei es zu der ideologischen | |
Bedrohung der Liebe durch Safe Spaces (mit Rätselsätzen wie „Man | |
beansprucht den safe space des Einzigartigen, als wäre daran etwas | |
Besonderes.“), zum Thema toxische Männlichkeit oder darüber, dass man im | |
Englischen zwar von „beautiful interracial couples“ spreche, im Deutschen | |
aber nicht „schöne gemischtrassige Pärchen“ sagen könne. Nun, vielleicht | |
liegt es an der unterschiedlichen Semantik von „race“ und „Rasse“? Auch… | |
Greta Thunberg hat Trawny eine Meinung (die „‚weiß‘ deshalb so viel vom | |
Zustand der Erde, weil sie dieser in ihrem Geschlecht näher ist, als es | |
jeder junge oder gar ältere Mann je sein könnte“). | |
Ob sich das im Verlag überhaupt jemand angeschaut hat, scheint auch wegen | |
Druckfehlern wie „qeer“ oder „Star Treck“ zweifelhaft. Das Buch ist kei… | |
Philosophie der Liebe, sondern ein Geraune über ein vermeintlich | |
allheilendes Mysterium – bis hin zu Hitler und Stalin, die für den | |
Gruseleffekt ebenso wenig fehlen dürfen wie ein geschmackloser Verweis auf | |
die Unmöglichkeit, Gaskammern zu lieben. | |
Wenn ein Rat erlaubt ist: Lesen Sie die Liebeslyrik von Peter Hacks, gehen | |
Sie in ein Stück von René Pollesch oder schauen Sie die neue Staffel von | |
„Sex Education“, aber lassen Sie um der Liebe und der Vernunft willen die | |
Finger von diesem einfältigen Buch. | |
8 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Jakob Hayner | |
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