Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Physische Selbsterkennung
> Im „Ballhaus Naunynstraße“ ist der afrobritische Künstler Bishop Black
> noch bis Samstag seiner komplexen Identität auf die Spur. In der
> Performance „Becoming My Body“ versucht er, alle Seiten seiner
> Persönlichkeit aufzuschlüsseln
Von Lorina Speder
Der Bühnenraum im Ballhaus Naunynstraße ist dunkel. Der britische
Performance-Künstler Bishop Black steht auf der mittigen Bühne, um die
herum das Publikum platziert ist. Sein Oberkörper ist frei und um seine
Hüfte ist silberner Stoff wie ein langer Rock mit Schleppe geschwungen. So
wird gerade noch ein Blick auf seine rot glitzernden High-Heels zugelassen.
Was viel mehr auffällt, ist jedoch seine Kopfverzierung, eine Art Krone aus
einem Dutzend brennender, dunkelvioletter Kerzen. Der Künstler summt,
während die Zuschauer:Innen einer nach der anderen eingelassen wird. Bläck
lässt seinen Blick von links nach rechts schweifen, während die Gäste
jeweils geräuschvoll durch die Stuhl-Gänge wandern, jedeR den Platz
eingenommen hat und das Quietschen und Knarren verstummt.
Seit seiner Neueröffnung 2008 hat sich das Ballhaus Naunynstraße mit Fokus
auf postmigrantische Produktionen zum wichtigen Treffpunkt für Berlins
Kulturszene entwickelt. Bishop Black steht nicht zum ersten Mal im
Programm. Seine Performance heißt „Becoming My Body“. Sie wurde schon im
Mai letzten Jahres während des Performing Arts Festival und des Festival
Postcolonial Poly Perspectives im Ballhaus uraufgeführt. Aufgrund der
starken Nachfrage kommt es nun nochmals bis zum Samstag zu jeweils erneuten
Aufführungen.
Der erste Teil der Performance wirkt wie eine spirituelle Reinigung. Im
Wechsel mit einem per Lautsprecher zugeschaltetem Chor stimmt der Künstler
ein Lied ein, das nach traditionellen Gesängen klingt. Das heiße Wachs der
Kerzen tropft währenddessen auf seine dunkle Haut, doch er verzieht keine
Miene und lässt seinen Blick weiter durch den Raum schweifen. Es ist, als
wolle er den Raum begreifen und alle mit einbeziehen. Am Ende der Szene
setzt er seine Feuerkrone ab und trägt ein Windklangspiel mit
ausschweifenden Bewegungen durch den Raum. Die metallischen Klänge
vermitteln ein warmes Gefühl. Doch ob man so willkommen ist, weiß man nicht
ganz. Die Knödel, die er in einer späteren Szene nahe am Publikum wie ein
Kellner anbietet, wird niemand essen dürfen außer er selbst. Alle, die auf
sein Frohlocken reagierten, werden vertröstet. Sein Kellner-Alter-Ego baut
eine Dynamik auf, die wie eine Umkehrung funktioniert. Der unterwürfige und
stets freundliche Kellner bietet an, behält aber die Macht und gibt nicht
ab. Die Stärke dieser Szene ergibt sich durch das konfuse Gefühl, das sie
hinterlässt. Die Belehrung über die Vergangenheit mit Kommentaren wie „Food
carries history“ ist zwar notwendig, um seine Zuschreibung „I am my
ancestors“ am Ende abzuschließen. Sie gehört aber nicht zu den Glanzpunkten
der Performance, denn der Künstler setzt hier wenig beim Publikum voraus,
das selbst divers und offen erscheint.
Spricht der Brite in Bildern, kann er dagegen überzeugen. Das sind die
Momente, in denen Bishop Black gelingt, sich zu beschreiben, sich selbst zu
kreieren und seine verschiedenen Seiten zu ergründen und zu definieren. In
einer beeindruckenden Tanz- und Bewegungseinlage, die mit düsterer Musik
unterlegt ist, beginnt er seinen muskulösen Körper erst kontrolliert auf
dem Boden zu balancieren. Seine Bewegungen werden über die Minuten gröber,
wie von Instinkten getrieben, besessen, sexuell, rasend, und schließlich
erscheint der Künstler wie in Trance. Allein anhand dieser Schlüsselszenen
erkennt man die Visualisierung des Titels „Becoming My Body“. Man sieht
Bishop Blacks Schmerz, die Wunden der Vergangenheit, aber auch Freude,
seine persönliche Geschichte und Gegenwart.
Noch bis zum 11. Januar, jeweils 20 Uhr
10 Jan 2020
## AUTOREN
Lorina Speder
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.