Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die perfekte Täuschung oder doch nur Scharlatanerie?
> Mehr Handwerk als übersinnliche Fähigkeiten und Hexerei: Für die Zauberei
> braucht es höchstes Geschick sowie wissenschaftliche und technische
> Kompetenzen. Mittlerweile wird die Zauberkunst auch als Methode in der
> Wahrnehmungspsychologie genutzt
Bild: Frische Ideen und Tricks: das Duo Siegfried & Joy
Von Jana Janika Bach
Er ließ die Freiheitsstatur und einen Waggon des Orientexpresses
verschwinden; sie wiederum sah nicht nur an seiner Seite bezaubernd aus.
Gebannt verfolgte ein Publikum in den 1990ern, wenn der Großillusionist
David Copperfield die Chinesische Mauer durchschritt oder in einer
Live-Show Fingerfertiges darbot, während das deutsche Supermodel Claudia
Schiffer „ihrem“ David vom Bühnenrand aus zulächelte.
Ein Traumpaar, fast zu schön, um wahr zu sein, das waren auch das
Magier-Duo Siegfried und Roy. Sie feierten, als Zauberei mit, nun ja,
Glamour-Faktor noch hoch im Kurs stand, auf dem Zenit ihres Erfolges, 1990
im Hotel Mirage Premiere. Mit einer Schau, die im Laufe der Jahre mehrere
Millionen Zuschauer in dem speziell für ihre Tricks umgebauten Theater in
Las Vegas besuchen sollten, bis die Karriere der beiden ein jähes Ende
fand, als Roy auf der Bühne einen Schlaganfall erlitt und vom weißen Tiger
Mantacore schwer verletzt wurde.
Bei all dem Chichi und Klatsch könnte leicht vergessen werden, dass
Illusionisten wie Siegfried und Roy, Copperfield oder auch dem
hypnosebegabten Criss Angel Außerordentliches gelang: nämlich die perfekte
Täuschung, allen physikalischen Naturgesetzen zum Trotz. Solches bedarf
höchsten Geschicks sowie wissenschaftlicher und technischer Kompetenzen.
John Nevil Maskelyne (1839–1917), Begründer des Genres „Großillusion“ �…
Erster ließ er einen Menschen durch einen Reifen schweben –, glückten wie
nebenbei bedeutende Erfindungen, etwa die erste in England fabrizierte
Schreibmaschine. Über 40 Patente hielt der Brite, der sich dem Intellekt
wie der hohen Kunst des Zauberns verschrieb. So wurde Maskelyne schon 1865
mit 26 Jahren berühmt, als er zusammen mit seinem Kollegen Cooke die
betrügerischen Machenschaften des Magierduos Davenport Brothers aufdeckte;
später publizierte er Enthüllungsbücher zu Falschspielern.
Ganz ähnlich wie der Entfesselungskünstler Harry Houdini – sein Name,
längst Synonym für Zauberkunst schlechthin –, der zeit seines Lebens
Menschen in den USA, Russland und Europa, insbesondere in Deutschland mit
seinen Rekorden zum Staunen brachte. Er harrte länger als Fakire ohne
Luftzufuhr in einem Sarg aus, eskamotierte einen Elefanten vom Times Square
oder befreite sich aus der „chinesischen Wasserfolterzelle“, er war aber
auch Pionier auf dem Feld der Luftfahrt. 1910 ehrte ihn die „Australian
Aeronautic League“ für den ersten gesteuerten Motorflug, den ein Mensch auf
dem australischen Kontinent unternahm. Als Verfechter der Vernunft geriet
Houdini mit jedem in Streit, der seine Kunst als Wunder einstufte. Um
Hochstapler zu desmaskieren, besuchte Houdini verkleidet Séancen, beriet
den US-Kongress bei der Aufklärung von Geisterphänomenen oder sorgte als
Jurymitglied dafür, dass der vom Komitee der Wissenschaftszeitschrift
Scientific American ausgeschriebene Geldpreis für einen erbrachten
Nachweis übernatürlicher Begabung nie vergeben wurde.
Scharlatan oder Magier? Diese Frage evozierte der Mentalist Uri Geller
wiederholt. Obschon das 1946 in Tel Aviv geborene, ehemalige Fotomodel
Anfang der siebziger Jahre weltweit einen Hype auslöste. Sein
Markenzeichen: Das Zerbrechen von Essbesteck oder stehen gebliebene Uhren
wieder zum Ticken zu bringen. Auch Deutschland wurde damals vom
Uri-Geller-Fieber erfasst, als dieser in der ZDF-Sendung „Drei mal Neun“
Löffel verbog und der Spiegel titelte damals: „Gibt es den Faktor PSI? Uri
Gellers rätselhafte Kraft“.
Doch allzu oft kam Geller vor laufender Kamera beim Beweisantritt seiner
übersinnlichen Fähigkeiten ins Schwitzen, wie in Johnny Carsons Tonight
Show 1973 – der Löffel blieb gerade – oder 2008 in Raabs TV Total; der
Moderator feixte, als Geller das aufgemalte Quadrat mit vier Punkten darin
nicht „hellsehen“ konnte. Unerklärlich: Einen Sendeplatz für „The next …
Geller“ räumte Pro Sieben dennoch ein.
Als Trickser entlarvt zu werden ist das eine – viele Zauberer begreifen
ihre Magie als Handwerk, nicht als Hexerei –, die stümperhafte Darbietung
das andere. Selbst ein simpler Trick vermag, sauber ausgeführt, zu
verblüffen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass kein doppelter Boden oder
geweiteter Ärmel allein die Illusion bewirkt, sondern sie erst im Kopf
entsteht.
So bedienen Zauberer sich zum Beispiel des „Phi-Phänomens“, wie bei der von
hier nach dort gezauberten Münze. Durch eine hohe Frequenz alternierender
optischer Reize wird eine Scheinbewegung erzeugt, die das getäuschte Gehirn
aus Momentaufnahmen produziert.
## Psychologisches Wissen
Gerade optische Täuschungen funktionieren noch in ihrer Verwirrung, wenn
sie gründlich analysiert wurden. Das Spiel mit der Aufmerksamkeit tut sein
Übriges. Auch deshalb wird die Zauberkunst mittlerweile als
Forschungsmethode in der Wahrnehmungspsychologie genutzt. Probanden einer
Studie des Psychologen Daniel Simons bekamen etwa die Aufgabe, zu zählen,
wie oft sich Studenten in einem Video einen Basketball zuwerfen. Kaum einer
bemerkte den Schauspieler im Gorillakostüm, der in einer Szene durchs Bild
läuft.
Er habe keine magischen Fähigkeiten, sagt der Mentalist und gebürtige
Saarländer Thorsten Havener, vielmehr setze er psychologisches Wissen ein.
In Vorträgen und Büchern wie „Ich weiß, was du denkst“ erklärt der 1972
geborene Fachmann für Körpersprache, wie er es zustande bringt, die
Gedanken von Menschen zu lesen und zum Beispiel eine vom Publikum
versteckte Nadel zu finden.
Das bringt das eigentliche Faszinosum auf den Punkt: Alles Mögliche
erachtet der Mensch als ursächlich für eine manipulierte Wirklichkeit, nur,
wie so oft, nicht sich selbst. Auch darin spiegelt sich das Können großer
Magier: Der Vorstellungskraft der meisten sind sie einen Schritt voraus.
2 Jan 2020
## AUTOREN
Jana Janika Bach
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.