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# taz.de -- „Begrenzung ist nicht gleich Verzicht“
> Der Postwachstumsökonom Niko Paech möchte sich an Weihnachten lieber auf
> das Wesentliche konzentrieren, statt dem alljährlichen Konsumrausch zu
> erliegen. So ließe sich Weihnachten mit einem ökologisch bewussten Leben
> verbinden
Bild: Raum für Fantasie: Bude auf einem Hamburger Weihnachtsmarkt
Interview David Siegmund-Schultze
taz:Herr Paech, machen Sie überhaupt Geschenke zu Weihnachten?
Niko Paech: Ich beschränke mich auf sehr wenige, mir nahestehende Personen,
die wirklich etwas brauchen.
Jedes Jahr werden zu Weihnachten neue Konsumrekorde gebrochen. Wie
problematisch ist das?
Nicht nur die Rekorde der Konsumausgaben werden fortlaufend gebrochen.
Obendrein erfolgt dies auf stetig höheren Niveaus der bereits vorhandenen
Güterausstattung. Hinzu kommen die Weltreisen, um Weihnachten oder den
Jahreswechsel unter Palmen zu verbringen. Gleichzeitig könnte der Furor um
Nachhaltigkeit und Klimaschutz, insbesondere die sich daraus ableitenden
Vorwürfe an eine untätige Politik nicht dröhnender sein. Dies erlaubt einen
tiefen Blick in den mentalen Zustand einer sich modern gerierenden
Gesellschaft, die an ihrer Doppelmoral zu scheitern droht.
Können Sie Weihnachten auch etwas Gutes abgewinnen?
Ach, wenn wenigstens die durchschnittliche Qualität des Glühweins auf den
Weihnachtsmärkten zugenommen hätte … Außerdem war früher mehr Lametta. Mal
im Ernst: Wenn ich an Weihnachten Familienmitglieder treffe, die ich sonst
nicht so häufig sehe, ist das großartig für mich.
Wie sähe ein Fest in der Postwachstumsökonomie aus?
Ein plastikfreies, suffizientes und subsistentes Weihnachtsfest hieße
überhaupt nicht, keinen Spaß zu haben oder das Schenken per se
abzuschaffen. Aber denen, die Mann/Frau meint, unbedingt beglücken zu
müssen, grundsätzlich nur ein einziges Geschenk zu geben, wäre ein erster
Schritt. Zweitens zu versuchen, gebrauchte, selbst gestaltete oder
künstlerische Dinge in den Fokus zu nehmen, könnte zu einer weiteren
Entlastung führen.
Wie lässt sich Verzicht zur Weihnachtszeit schmackhaft machen?
Praktiken des Weglassens oder der Begrenzung auf das Wesentliche sind nicht
mit Verzicht gleichzusetzen, sondern lassen sich gerade an Weihnachten als
doppelte Befreiung empfinden. Erstens habe ich weniger Stress, spare Zeit
und Geld, wenn ich nicht so viel beschaffen muss. Zweitens muss ich nicht
irgendeine Konsumfreude vorspielen, die angesichts des ökologischen
Zustandes nur noch aufzubringen vermag, wer seinen Verstand betäubt.
Vereinfachen ließe sich das, indem mit möglichst vielen Menschen die
Vereinbarung getroffen wird, sich gar nichts mehr oder nur eine Kleinigkeit
zu schenken. Durch das Einführen und Etablieren derartiger Regeln fällt es
auch jenen leichter, sich zu enthalten, die andernfalls Schamgefühle
entwickeln könnten, weil sie meinen, irgendeiner Norm nicht zu genügen.
Was essen Sie zu Weihnachten?
Vegetarische Dinge.
Was mit den Menschen machen, die an Weihnachten einfach mal jegliches
Umweltbewusstsein ausblenden wollen?
Die friedlichste und zugleich wirksamste Form, damit umzugehen, besteht in
der Konfrontation mit konsequent vorgelebten Gegenbeispielen. Wir können es
uns nicht mehr erlauben, jeden noch so kuscheligen Wahnsinn damit zu
rechtfertigen, dass seine Vermeidung ja hieße, irgendwem auf die Füße zu
treten.
14 Dec 2019
## AUTOREN
David Siegmund-Schultze
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