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# taz.de -- Exploitation made in BRD
> Das Zeughauskino würdigt Rolf Olsens Krimi „Rasthaus der grausamen
> Puppen“. Der sprengte 1967 alle Genregrenzen – und die des guten
> Geschmacks
Bild: Ein bisschen Trash, ein bisschen Kyptofeminismus: „Das Rasthaus der gra…
Von Thomas Groh
Was wäre die Filmgeschichte ohne die Mavericks? Jene selten im Glanz des
Blitzlichts stehenden Handwerker, deren Filme einerseits nicht zur
Kunstgeschichte des Kinos beitragen und der Last gelehrter Theorien selten
standhalten? Die aber andererseits kontinuierlich den Betrieb belieferten,
ihn damit in Lohn und Broten hielten, die Standards des Genrekinos
erprobten und oft genug in dessen engen Grenzen Spuren einer eigenen
Handschrift aufblitzen ließen?
Anders als in den USA und Frankreich tut man sich mit Regisseuren dieses
hemdsärmeligen Schlags hierzulande schwer. Weshalb einer wie Rolf Olsen –
einer jener vielen Österreicher, die in den Nachkriegsjahrzehnten im
deutschen Trivialfilm unterwegs waren – auch kaum noch jemandem ein Begriff
ist.
Dabei musste man sich in den 50er- bis 70er-Jahren wahrscheinlich
anstrengen, um ihm auf einem Set nicht über den Weg zu laufen: Als
Schauspieler war der rundlich-freundliche Herr mit der charakteristischen
Lücke zwischen den Vorderzähnen zwar eher nicht auf die Rollen
charismatisch-viriler Helden festgelegt, sondern gab meist augenzwinkernd
den Wirtschaftswundertrottel. Als Drehbuchautor lieferte er alles, wonach
das Publikum gierte, als Regisseur bediente er vom Western über
Tantenklamauk und grandios bescheuerte Schlagerfilme bis zum harten
Thriller und halbseidenen Sittenreißer alles, was im Kintopp eine schnelle
Mark versprach – und lieferte zur Freude der Produzenten so pünktlich wie
kostengünstig. In den 70er-Jahren folgte der Absturz ins Bahnhofskino mit
reißerischen Eso- und Brutalodokus, zu denen etwa Videofilme über
Tonbandstimmenexperimente mit dem Reich der Toten zählen, aber auch eine
Deppenkomödie mit Jürgen Drews, die eher im hirntoten Bereich operiert.
Trivialkino als Abenteuerspielplatz: Mag nicht jeder Olsen-Film ein Bringer
sein, kennzeichnet sie allesamt eine rege Freude an den Mechanismen des
Unterhaltungskinos. Ihr Spieltrieb entspringt direkt der Wunderwelt des
Pulps. Ein Paradebeispiel dafür ist Olsens Krimi „Das Rasthaus der
grausamen Puppen“ von 1967, den Bennet Togler und Philipp Stiasny nun als
versteckten Geburtstagsgruß in der verdienstvollen „Wiederentdeckt“-Reihe
des Zeughauskinos präsentieren: Am 26. Dezember wäre der 1998 gestorbene
Olsen 100 Jahre alt geworden.
1967 herrschten im BRD-Krimi noch Wallace-Standards: Augenzwinkernd, auf
teutonische Weise „very british“, onkelige Scherze mit dem Schrecken.
Nichts davon in Olsens Reißer, der formal zwar auch so tut, als spiele er
in Großbritannien, aber doch sichtlich im öden Land rings um Triest spielt.
Eine junge Frau landet nach einem schief gegangenen Bruch, zu dem sie ihr
Freund angestiftet hatte, im Frauengefängnis. Hier reift sie binnen
kürzester Zeit zur harten Zynikerin heran. Die lesbischen Avancen einer
drakonischen Aufseherin macht sie sich zunutze, um mit einigen
Schicksalsgenossinnen auszubrechen. Die beim anderen Geschlecht
grassierende Trübnis kommt diesen um keinen harten Spruch verlegenen
Knastvögeln dabei durchaus zupass. Allein Penunze fehlt zum Glück. In einem
entlegenen Rasthaus, wo sie kurzerhand das Regiment übernehmen, reift ein
teuflischer Plan.
„Der Film ist das Produkt einer ungesunden Fantasie“, erregte sich einst
der katholische Filmdienst und warnte seine frommen Leser vor den
unsittlichen Sensationen, die Olsen am laufenden Meter präsentiert.
Schon alleine, weil die jungen Zuchthäuslerinnen schimpfen wie betrunkene
Matrosen auf Landurlaub, ist der Film auch heute noch eine Schau – und gibt
sich in dieser Lust an den Exzessen gewalttätiger Frauen als naher
Verwandter von Russ Meyers Kultfilm „Faster Pussycat! Kill! Kill!“ zu
erkennen, der wenige Monate zuvor auch die BRD-Lichtspielhäuser heimgesucht
hatte. Hier wie dort wirken sie befreiend, die Frauenbilder, die sich
braven Fräulein-Vorstellungen so gar nicht fügen wollen. Von Meyers
kryptofeministischem Pop-Kino ist Olsens Sause zwar doch ein wenig
entfernt. Aber im wirren Irrsinn dieses Films, in dem sich die Standards
des späteren Bahnhofskino-Evergreens Frauenknastfilm mit der Lust am
Reißerischen und einigermaßen schroff deplatziert wirkendem Slapstick
paaren, liegt eben doch ein Reiz: Olsens Film sprengt im
Unterhaltungskino-Kontext munter Konventionen, bleibt am Ende zwar
moralisch bieder – „Crime does not pay“, heißt es [1][im schmissigen
Titelstück] von Don Adams –, interessiert sich unterm Strich für die
Verlockungen des Unmoralischen aber eben doch beträchtlich mehr. Großes
Groschenheftkino!
Hyperlink:=„Das Rasthaus der grausamen Puppen“: Zeughauskino, Unter den
Linden 2, 6. 12., 21 Uhr, 5 €
5 Dec 2019
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=Zv8yAGN6xbE
## AUTOREN
Thomas Groh
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