# taz.de -- Eine komplexe Beziehung | |
> „Body Performance“ in der Helmut-Newton-Stiftung untersucht das | |
> Verhältnis von Performance und Fotografie. Obwohl Performances zu kurz | |
> kommen, ist im Berliner Museum für Fotografie etwas über die Kunstform zu | |
> lernen | |
Bild: Vanessa Beecroft, „VB55 – Performance, 2005“ in der Neuen Nationalg… | |
Von Lorina Speder | |
Eine Performance ist ein komplexes Gebilde, das nur im Moment lebt. Jede | |
anwesende Person nimmt die künstlerische Darbietung jeweils anders wahr und | |
trägt sie auch unterschiedlich weiter. Was bleibt, sind Erinnerungen und | |
die Bilder, die währenddessen mit Kameras aufgenommen werden. Die | |
Ausstellung „Body Performance“ im Museum für Fotografie soll Einblicke in | |
die geschwisterliche Beziehung von Performance und Kamera geben. Es ist | |
deshalb etwas irritierend, dass bei 13 gezeigten Positionen die Performance | |
als eigenständige Kunstform kaum eine Rolle spielt. | |
Man bekommt bei dem Gang durch die Ausstellung eher den Eindruck, dass der | |
Fokus auf Körper und ihre Inszenierung für die Kamera gelegt wird. Jürgen | |
Klauke fotografierte für seine „Viva España“ Serie zwei in sich | |
umschlungene Personen, von denen auf den ersten Blick nur in die Luft | |
ragende Beine sichtbar sind. Seine lebensgroßen Fotografien sezieren die | |
Bewegungen der schwingenden Beine in einzelne Sekunden. Tänzerisch geht es | |
auch bei Helmut Newton zu, der die Mitglieder des Monte-Carlo-Balletts vor | |
knapp 30 Jahren inszenierte. Die BalletttänzerInnen nahmen für die Bilder | |
auf offener Straße dynamische Posen ein. | |
## Rollenspiele, Happenings | |
Das Spiel aus Posen, Bewegung und Inszenierung ist auch auf den Fotografien | |
von Robert Mapplethorpe, Yang Fudong und Robert Longo zu finden. Für Longos | |
„Men in the Cities“-Serie wirbeln Freunde des Künstlers durch die Luft oder | |
imitieren liegend den freien Fall. Die Bilder erwecken den Eindruck, als | |
handle es sich um ein spontanes und lockeres Happening. Alles andere als | |
spontan sind hingegen Shermans berühmte Rollenspiele vor der Kamera, die | |
auch in der Ausstellung zu sehen sind. Ihre klischeebehafteten | |
Charakterporträts sind mit Brustprothesen und Schichten von Make-up bis ins | |
letzte Detail geplant und durchgeführt. Doch der Verkleidungsprozess wäre | |
ohne das Bild am Ende kein Werk an sich. Selbst wenn Shermans Vorgehen | |
Referenzen zum Theater aufbauen, ihre „Untitled Film Still“ Serie einen | |
direkten Bezug zum Film herstellt oder Longos Serie performative Aktionen | |
auf den Dächern New Yorks fordert – die Fotoshootings hinter diesen | |
großartigen fotografischen Werken sind keine eigenständigen Performances. | |
Das zu behaupten wäre eine Beleidigung gegenüber Künstlerinnen wie Eva | |
Mendieta, Marina Abramovic oder Yoko Ono, die das Genre der Performance mit | |
ihren Aktionen geprägt haben. | |
Bei den Fotografien des österrichischen Künstlers Erwin Wurm ist das | |
anders. Seine „One Minute Sculptures“ bewegen sich zwischen Skulptur und | |
Performance, die vom Publikum ausgeht. Seit mehreren Dekaden fordert der | |
Künstler BesucherInnen auf, seine Objektskulpturen mit dem eigenen Körper | |
zu komplettieren. Auf den Bildern sieht man deshalb Menschen, die in | |
unnatürlichen Posen gegen seine Objekte lehnen, auf Orangen liegen oder | |
Tassen auf ihren Fußrücken balancieren. Bei Wurm ist die Fotografie sowohl | |
Vermittler als auch Dokumentation seines Werkes, das gut zur | |
selbstdarstellerischen Tendenz der sozialen Netzwerke passt. | |
Eine Künstlerin, bei der man etwas über das Verhältnis von Kamera und | |
Performance erfährt, ist die Britin Vanessa Beecroft. Die Anordnung ihrer | |
Fotografien im zentralen Ausstellungsraum gibt das Gefühl, man bewege sich | |
inmitten der 100 halbnackten Performerinnen aus ihrer VB55 Performance. | |
Diese standen 2005 über Stunden in der Neuen Nationalgalerie und bekamen | |
die Anweisung, sich so wenig wie möglich zu bewegen. Die Fotografien | |
brechen die Veranstaltung auf unterschiedliche Perspektiven herunter und | |
strahlen eigenwillige Ästhetik aus. Mal zoomt die Kamera ganz nah auf die | |
Ansammlung von Körpern, mal versteckt sie sich hinter dem in Abendgarderobe | |
gekleideten Publikum. | |
Die Kamera hat auf den Bildern Intentionen und lenkt unsere Blicke auf | |
Details, die uns vor Ort vielleicht nicht aufgefallen wären. Sie | |
dokumentiert nicht nur das Geschehen, sondern zeigt vor allem Beecrofts | |
theatralisches Geschick. Die Anordnung der Körper zur eckigen Bühne wird | |
durch den hohen Kamerawinkel hervorgehoben, auch das Zoomen auf die durch | |
Mandelöl glänzende Haut der Akteurinnen verstärkt den Effekt von Nacktheit. | |
Beecrofts Beitrag zeigt deshalb vor allem, wie subjektiv Fotografie ist. | |
Zwar kann sie uns als Zeitzeuge Einblicke in vergangene Darbietungen geben. | |
Sie hat aber auch die Macht, die Performance an sich neu zu inszenieren. Um | |
das wirklich beurteilen zu können, müsste man aber selbst dabei gewesen | |
sein. | |
Bis 10. Mai 2020, Jebensstr. 2 am Bahnhof Zoo | |
5 Dec 2019 | |
## AUTOREN | |
Lorina Speder | |
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