# taz.de -- Autofreie Utopie | |
> Tausende demonstrieren mit „Fridays for Future“. Die klagen nicht nur an, | |
> sondern haben einen Plan für die Verkehrswende entwickelt | |
Bild: Für eine andere Klimapolitik auf die Straße gegangen: Bis zu 15.000 Men… | |
Von David Siegmund-Schultze | |
Als der Regen kommt, stört das die Schüler*innen nicht. Sie ziehen einfach | |
die Kapuzen hoch und spannen ihre Regenschirme auf. Am Freitag konnte | |
„Fridays for Future“ (FFF) auch in Bremen wieder Tausende mobilisieren. Die | |
Polizei spricht von 7.000 Teilnehmenden, laut FFF sollen es fast 15.000 | |
gewesen sein. Im September waren rund 30.000 Menschen auf die Straße | |
gegangen. Die Organisator*innen hatten schon vorausgesagt, dass die | |
Beteiligung dieses Mal etwas geringer ausfallen werde – schließlich hatte | |
man mit weniger Vorlauf planen können. | |
Mit kämpferischen und bisweilen antikapitalistischen Parolen machten die | |
Schüler*innen ihrem Unmut über die Untätigkeit der Politik Luft. „Advent, | |
Advent, die Erde brennt“ oder „Klimaschutz heißt Klassenkampf“ war auf d… | |
Schildern zu lesen. Menschen aller Altersgruppen, Mitglieder von | |
Gewerkschaften und zahlreichen Verbänden beteiligten sich an der Demo. | |
Mit Mahnungen vor den Problemen will sich FFF-Bremen nicht mehr zufrieden | |
geben. Am Freitag haben sie im Anschluss an die Demo deshalb noch ihr | |
Mobilitätskonzept vorgestellt, das ein ambitioniertes Ziel auf die Agenda | |
setzt. | |
Die rot-grün-rote Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag bereits | |
vereinbart, bis 2030 eine autofreie Innenstadt von der Weser bis zum Wall | |
zu schaffen. Fridays for Future in Bremen ist das nicht radikal genug: Sie | |
wollen fast das gesamte Stadtgebiet – mit einigen Ausnahmen – zur | |
autofreien Zone machen. Was zunächst nach einer jugendlichen Utopie klingt, | |
ist tatsächlich ein detaillierter Maßnahmenkatalog, der in Zusammenarbeit | |
mit dem BUND, dem ADFC, Scientists for Future und der Initiative „Einfach | |
einsteigen“ verfasst wurde. | |
Im Zentrum der Forderungen stehen zunächst der Ausbau von ÖPNV, Fuß- und | |
Fahrradwegen. Außerdem soll der Autoverkehr reguliert werden – erst einmal | |
nur durch eine City-Maut und über höhere Parkgebühren. „Autos, man mag es | |
kaum glauben, nehmen Platz weg. Und zwar pro Auto mehr als die | |
durchschnittliche Größe eines Kinderzimmers. Dieser Platz muss einen Preis | |
bekommen“, sagt Sven Eckert, Geschäftsführer des Bremer ADFC, in Bezug auf | |
Park- und Straßenraum. Bis 2030 sollen nach und nach immer mehr Teile | |
Bremens autofrei werden. | |
Eine autofreie Stadt sei vor allem mit höherer Lebensqualität verbunden, | |
sagt Alfred Schumm von den Scientists for Future: „Autos verursachen Lärm, | |
Schadstoffe, 30% des gesamten Mikroplastik und Unfälle. Die Vorstellung, am | |
Osterdeich ohne Motorengeräusche spazieren zu können, finde ich | |
wunderschön.“ | |
Der Staat müsse in seinen Ausgaben neue Prioritäten setzen: „Für den | |
Autoverkehr werden jährlich pro Kopf im Durchschnitt 100 Euro ausgegeben, | |
für den Fahrradverkehr nur rund 6,70 Euro. Dieses Ungleichverhältnis muss | |
sich dringend ändern“, so Eckert. Für die Finanzierung sollte nach den | |
Vorstellungen von FFF neben dem Staat auch die Wirtschaft einbezogen werden | |
– schließlich seien Unternehmen auch massive Verursacher von CO2. | |
Bremen könne mit der Umsetzung des Konzepts ein bundesweites Zeichen für | |
die Verkehrswende setzen und seinen Beitrag zum 1,5-Grad-Ziel leisten, ist | |
Frederike Oberheimer, Frontfrau von FFF überzeugt: „Krankenwagen, Busse | |
oder etwa Taxis sollen natürlich weiterhin fahren dürfen. Es geht einfach | |
darum, unsere Stadt auf eine Weise zu verändern, in der wir mit mehr | |
Lebensqualität unser Überleben sichern können.“ | |
30 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
David Siegmund-Schultze | |
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