# taz.de -- Vom Treiben zwischen den Welten | |
> Das Gerhard-Marcks-Haus zeigt Arbeiten des Bildhauers und Zeichners | |
> Ricardo Brey: ein vielschichtiges und verweisreiches Werk | |
Bild: Ricardo Breys Arbeit über das Segeln auf verbotenen Meeren | |
Von Frank Schümann | |
Leise, humorvoll und bescheiden tritt er auf, dieser Mann aus Kuba, dessen | |
Werke zur Zeit im Gerhard-Marcks-Haus zu sehen sind: „Adrift“ heißt Ricardo | |
Breys erste Einzelausstellung in Deutschland. Geboren wurde der Künstler | |
1955 in Havanna, seit 1991 lebt er in Belgien. Zunächst bleibt er ganz im | |
Hintergrund, als Museumsdirektor Arie Hartog der Presse die neue | |
Ausstellung vorstellt, um dann, auf Geheiß des Gastgebers, das Zepter zu | |
übernehmen. | |
Es wirkt leicht und fast schwebend, wie Brey fortan die Journalisten durch | |
die Räume führt – wie seine Kunst, möchte man meinen, aber eben nicht nur. | |
Das Schwebende, das Fließen und das Sichtreibenlassen sind nämlich nicht | |
nur ein zentrales Thema des Bildhauers, Zeichners und | |
Installationskünstlers, sondern bestimmen auch das Leben von Ricardo Brey. | |
Er habe sich auf Kuba immer wie ein Fremder gefühlt, sagt er, und dass sich | |
das Weggehen wie selbstverständlich angefühlt habe: „Ich hatte nicht das | |
Gefühl, dass ich etwas verlor. Was ich brauchte, kam alles mit mir.“ | |
In jedem karibischen Menschen sei ein Universum enthalten, schreibt Erica | |
Moiah James im parallel zur Ausstellung erscheinenden Buch „Ricardo Brey – | |
Adrift“: „Karibisch zu sein bedeutet, deine eigene Existenz als fließend, | |
unfixiert, unrein und ständig hybrisierend, (…) materiell und metaphysisch, | |
weltlich und heilig, individuell und verbunden sowie unendlich menschlich | |
zu verstehen.“ Ricardo Breys Werk reise durch dieses Universum, schreibt | |
James weiter – und schafft damit eine Beschreibung seines Werks, wie sie | |
kaum besser möglich ist. | |
Denn die Werke von Brey, von denen etwa 70 im Gerhard-Marcks-Haus | |
ausgestellt sind – teils Zeichnungen, teils Assemblagen und Installationen | |
– zeigen zwar offensichtlich, wie der Künstler sein altes mit seinem neuem | |
Leben verbindet, darüber hinaus lassen sie aber in ihrer Vielschichtigkeit, | |
in ihrer Poesie aber auch sehr viel Raum für persönliche Wahrnehmungen und | |
bergen viele Geheimnisse, die es zu ergründen gilt. | |
So wie die Boxen, die in einem der Museumsräume ausgestellt sind, und von | |
denen während der Ausstellungsdauer immer wieder andere geöffnet werden. | |
Wie das verbeulte Rad mit dem Titel „Du wirst nie erraten, was als nächstes | |
kommt“, das an eine Planetenkonstellation erinnert, oder wie manche der | |
Zeichnungen, die auf deutsch „Erster Traum“, „Realität“ oder „Hölle… | |
heißen. | |
Bereits 1981 eckte der damals noch junge Künstler in seiner kubanischen | |
Heimat bei den Mächtigen an. Als Teilnehmer der Gruppenausstellung „Volumen | |
I“ war er in einen handfesten Skandal verwickelt, zudem knüpfte seine Kunst | |
an westliche Strömungen an, was in seiner Heimat natürlich verpönt war. So | |
war seine Ausreise zehn Jahre später folgerichtig, ebenso der Umstand, dass | |
seine Kunst seither vom „zwischen den Kulturen leben“, vom Menschsein an | |
sich und von der Vergangenheit erzählt. | |
„Er will uns nicht sagen, wie manch anderer, was wir denken sollen“, sagt | |
Arie Hartog und führt dies als möglichen Grund dafür an, dass Brey in | |
Deutschland noch nicht so bekannt ist. Dabei schrieb er hier bereits vor | |
fast 30 Jahren Geschichte: als erster kubanischer Künstler, der auf der | |
documenta in Kassel ausstellte; 1992, ein Jahr nach seiner Ausreise aus | |
Kuba. | |
Im niederländisch-belgischen Raum wird Breys Werk schon länger stark | |
wahrgenommen. Aber auch dort wächst das Interesse noch spätestens seit | |
Breys Teilnahme an der Biennale 2015. Arie Hartog hofft nun, dass Brey auch | |
hierzulande bekannter wird: „Wir sind in Deutschland die Ersten, die ihn | |
ausstellen – und ich glaube, es ist ein sehr guter Zeitpunkt.“ Wer erlebt | |
hat, wie Brey seine „new form of thinking“ vorstellt, hat keinen Grund, | |
daran zu zweifeln. In Breys Worten: „Du kannst die Realität kontrollieren, | |
aber du kannst den Mythos nicht kontrollieren.“ | |
Ausstellung bis 1. 3. 20, Gerhard-Marcks-Haus | |
30 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Frank Schümann | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |