# taz.de -- taz🐾thema: Gefallen und überraschen | |
> Das richtige Geschenk? Wie wär’s mit einem originellen Geschenkgutschein, | |
> zum Beispiel für Kulturevents, Restaurantbesuche, einen Kurzurlaub oder | |
> als Überraschungs-Coupon? | |
Von Jana Janika Bach | |
Wer sich zu wenig Mühe beim Schenken gibt, kann aus Soziologensicht | |
einpacken respektive seine Beziehung gleich beenden. Egal, ob es sich um | |
den Liebsten, die Geliebte, Eltern, Freunde oder den Kollegen handelt, Die | |
Gabenverteilung ist ein heikles Unterfangen und lässt tief blicken. | |
Schon wieder eine Packung Pralinen oder Socken und ein guter Tropfen für | |
den trockenen Onkel? Das Psychogramm eines Schenkenden kann üble Mängel im | |
Zwischenmenschlichen offenbaren. Dabei soll ein Präsent im Idealfall nicht | |
nur gefallen, sondern auch überraschen. So wünscht es sich die Mehrheit der | |
Deutschen – und doch verschenkten die 2018 nichts lieber als einen | |
Gutschein. Stand dieser früher in Verruf, die trivialste Gabe unter allen | |
zu sein, stellt er heute quasi die Erfüllung der Quadratur des Kreises dar. | |
Nämlich, ein Maximalmaß an Wahlfreiheit bei Minimalaufwand zu verschenken. | |
Für die Industrie hingegen steckt in der Geschenkkarte größtmögliches | |
Umsatzpotenzial: Satte 3 Milliarden Euro wurden mit ihrem Verkauf im | |
vergangenen Jahr eingenommen, davon mehr als die Hälfte im | |
Weihnachtsgeschäft, wie aus dem Konsumbarometer des Handelsverbands | |
Deutschland hervorgeht. Damit erwarb in den Monaten November und Dezember | |
2018 mehr als jeder zweite Bundesbürger einen Gutschein als Geschenk. | |
Auf den Plätzen dahinter rangierten Klassiker, Kosmetika, Schmuck, | |
Spielwaren und Bekleidung. An Ende der Beliebtheitsskala stehen | |
medizinische Produkte – diese unter dem Baum zu finden dürfte bei den | |
meisten verhaltene Freude auslösen. Oder möchten Sie zum Beispiel einen | |
Zahnarzt-Gutschein? | |
Über die Webseite des Unternehmens Groupon lässt sich etwa ein „strahlend | |
weißes Lächeln“ in Form eines Bleaching tatsächlich bestellen, ebenso wie | |
Fettabsaugung, im Gutschein ab 1.700 Euro. Damit dürfte dieser Voucher aber | |
das Weihnachtsbudget der meisten Deutschen übersteigen, obwohl das 2018 im | |
Schnitt bei immerhin 472 Euro lag. | |
Wie viel in Weihnachtsgeschenke investiert wird, hängt allerdings stark vom | |
Einkommen ab. Unter den Besserverdienern sind höhere Ausgaben fürs frohe | |
Fest keine Seltenheit, jeder Zweite indes gibt nicht mehr als 300 Euro aus. | |
Jüngere neigen dazu, den Geschenkekauf kurzfristig zu erledigen – insgesamt | |
setzt die Mehrheit dabei auf Empfehlungen aus dem Freundeskreis. | |
Das Richtige zu finden, zumal nicht für sich selbst, scheint in einer Welt, | |
die dem Megatrend der Individualisierung unterliegt, immer unmöglicher. Ein | |
Gutschein federt Unsicherheit ab und kommt ohne Konfektionsangabe oder | |
Farb- oder Stilpräferenz aus. | |
Am liebsten wird verschenkt, was eigentlich mit Geld nicht zu haben ist: | |
unvergessliche Momente. Hier reicht die Spanne weit, vom Abonnement fürs | |
Lieblingskino (etwa bei der Yorck-Kino-Gruppe) über die städtische | |
Museumslandschaft (wie den Staatlichen Museen Berlin) bis hin zu | |
Wellness-Klassikern (wie der Vabali Spa Oase oder dem Hama-Bad in der | |
Schokofabrik). | |
Eine einzigartige Zeit zu bescheren, egal ob ein Date oder Geburtstag mit | |
Freunden ansteht, damit lockt auch „Helmut Surprise“ der – der | |
Überraschungsgutschein der Event-Guide-Webseite Ask Helmut. Zu viele wären | |
in ihrer „Bubble gefangen“, findet Ask-Helmut-Geschäftsführer Conny | |
Lohmann. Dabei sei es so schön, neue Orte, Künstler oder Bands zu | |
entdecken. Der Weg dorthin ist einfach, erstanden wird ein | |
Wundertüten-Coupon, den Überraschungsevent-Abend plant ein | |
„Kultur-Expertenteam“. Ob es zu Silent Green, in die Apostel-Paulus-Kirche, | |
das Funkhaus Nalepastraße oder ganz woanders hin geht, wird erst kurz vor | |
Antritt verraten. | |
Nichts planen müssen, sogar die eigene Stadt neu erleben, nach diesem | |
Prinzip funktionieren auch die Gastronomie-Gutschein-Bücher, wie zum | |
Beispiel die von „Taste Twelve“. Um aus der Fusionsküche zu kosten oder | |
Regionales, mit dem Restaurantführer in Händen werde der heimatliche Kiez | |
garantiert öfter verlassen, so das Versprechen. Weiteres Spezial: Zu einer | |
von zwei Hauptspeisen wird in den teilnehmenden Lokalen eingeladen. | |
Ähnliches tischt die „Luups“-Reihe auf, die weniger auf Sterne-, aber | |
ebenso auf Spitzenköche setzt und in die Szene-Gastro führt, in „kleine | |
hippe Läden“. | |
Endlich mal wieder Luftveränderung versprechen dagegen | |
„Kurzurlaub“-Gutscheine. Schon mit kleiner Reisekasse kann sich auf | |
Städtetrip, ins Wellness-Wochenende oder auf Romantik-Tour, zu den | |
Kreidefelsen auf Rügen, den Kegelrobben auf Helgoland oder | |
eine„Bike-on-Snow-Tour“ in Tirol begeben werden. Verblüffend, was alles | |
machbar ist im Gutschein-Universum. Nur gilt auch hier: Wer die Vorlieben | |
des zu Beschenkenden kennt, hat die besseren Karten. Wem selbst die | |
leiseste Ahnung fehlt, dem bleibt, sich an Kurt Tucholsky zu halten, sprich | |
sich an die „lieben Basen, Onkels, Tanten“ zu wenden: „Schenkt ihr ihm wa… | |
Ich find es kaum … Doch schenkt ihm keine Reaktion! Die hat er schon!“ | |
9 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Jana Janika Bach | |
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