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Die Debatten über Mietenwahnsinn und Wohnungsnot bestimmen seit Jahren den | |
Stadtdiskurs. In den dazugehörigen Ausstellungen (wie etwa kürzlich im | |
n.b.k.) dominiert Ökonomiekritik und Stadtsoziologie. Nichts dagegen, aber | |
die Kunst wirkt da manchmal wie Theoriedekoration. Die sehr sehenswerte | |
KOW-Schau „Stadtschlawinereien“ mit Arbeiten von unter anderem Alice | |
Creischer & Andreas Siekmann, Andrea Pichl, Michael E. Smith oder dem Büro | |
Brandlhuber+ dreht das Verhältnis um und baut auf die Kunst als kritischem | |
Unterfangen. Das funktioniert, wie man etwa an der Billboard-Arbeit | |
„Moritzplatz – Emotional Blackmail“ von Larissa Fassler sehen kann. Fassl… | |
hat den von Investoren wie Stadtaktivisten gleichsam umkämpften Moritzplatz | |
künstlerisch kartografiert. Eine echte Entdeckung ist die Werkgruppe | |
„Berliner Schlossgeister“ des Malers Dierk Schmidt, entstanden in den | |
Jahren 2002 bis 2004. Als Bildträger dienen teilweise Folienstücke der | |
Schlossfassadenimitation, mit der Anfang der 90er erfolgreich für den | |
Aufbau der restaurativ-reaktionären Schloss-Attrappe in Mitte geworben | |
wurde (bis 9. 11., Di.–Sa. 12–18 Uhr, Lindenstr. 35). | |
Auf subtile Weise findet sich das Thema Wohnen auch in der Ausstellung | |
„Guten Tag“ bei KM thematisiert. Neben sieben neuen Collagen zeigt Michaela | |
Meise ein Stuhlobjekt, beschwert durch eine Kalksteinskulptur, so als | |
brauche es Gewicht. Das blau gebeizte Möbel wurde verschiedenen | |
Bearbeitungen unterworfen, an einem Stuhlbein ist etwa das Wort | |
„Physiotherapie“ eingekerbt, an anderer Stelle das Eurozeichen. Auf dem | |
oberen Rahmen und den drei Streben der Lehne kleben die Reste eines | |
Berliner Antragsformulars für die Bewilligung von Wohngeld – Mietzuschuss | |
(bis 11. 1., Mi.–So. 14–18 Uhr, Mehringplatz 8). | |
Anders als die Herbstereignisse von `89, die mittlerweile zu einem | |
kompakten historischen Narrativ zusammengeschnurrt erscheinen, ist das | |
darauffolgende Jahr durch Erinnerungslücken und widersprüchliche | |
Erzählungen in Ost und West gekennzeichnet. Das ist eine der Thesen des | |
Fotobuches mit dem Titel „Das Jahr 1990 freilegen“, welches demnächst bei | |
Spector Books erscheinen wird, herausgegeben von der Berliner Künstlerin | |
Elske Rosenfeld und den beiden Kurator*innen und Verleger*innen Anne König | |
und Jan Wenzel. In der dazugehörigen Ausstellung in der Station Urbaner | |
Kulturen in Berlin-Hellersdorf lässt sich schon mal ein Blick auf die | |
Layoutfahnen werfen. Die Schau versteht sich als die „Aufführung eines | |
Buches“ (bis 30. 11., Do. u. Sa. 15–19 Uhr, Auerbacher Ring 41). | |
7 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Kito Nedo | |
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