# taz.de -- „Berlin ist eine Inselder Glückseligen“ | |
> David Mesche, Mitinhaber der Buchbox-Buchhandlungen in Berlin, im | |
> Gespräch über die gerade gestartete bundesweite Woche unabhängiger | |
> Buchhandlungen | |
Von Gloria Reményi | |
taz: Herr Mesche, stört es Sie, wenn der Buchhandel für tot erklärt wird? | |
David Mesche: Früher ist es mir einfach auf die Nerven gegangen, dass in | |
der Öffentlichkeit immer wieder gesagt wurde, das E-Book verdränge | |
gedruckte Bücher und die Buchhandlungen würden bald aussterben. Auch um den | |
Diskurs ins Positive umzukehren, habe ich 2014 die Woche unabhängiger | |
Buchhandlungen (WUB, Anm. d. Red.) ins Leben gerufen. Denn ich glaube, dass | |
das Buch eine Zukunft in unabhängigen Buchläden hat, und zwar eine größere | |
Zukunft als in den Ketten oder online. | |
Was können unabhängige Buchhandlungen besser als Ketten oder Onlinedienste? | |
Kulturelle Erlebniszonen schaffen. In den Buchbox-Buchhandlungen setzen wir | |
das durch über 100 Events im Jahr um, darunter Lesungen, | |
Kinderveranstaltungen, ein Straßenfest, Piano- und Kinoabende. So treiben | |
wir auch die Vernetzung im Kiez voran und stemmen uns dem Trend entgegen, | |
unter dem manche Kolleg*innen zu leiden haben. Jedes Jahr verzeichnen wir | |
kleine Zuwächse. | |
Sollen sich alle Buchläden in Kulturzentren umwandeln? | |
Da haben viele Buchläden meiner Meinung nach noch großes Potenzial. Wenn | |
manche weiterhin sehr gute Literatur anbieten, aber sonst nichts anderes, | |
fürchte ich angesichts der Attraktivität von Onlinediensten, steigender | |
Mieten sowie der sinkenden Frequenz in den Einkaufsstraßen, dass sie Umsatz | |
verlieren werden. Berlin ist dabei eine Insel der Glückseligen, denn hier | |
machen jedes Jahr neue Buchläden auf, aber in kleineren Orten haben | |
unabhängige Buchhandlungen hohen Leidensdruck. Events zu veranstalten, ist | |
aber nicht der einzige Weg, um sich weiter zu behaupten. Ein anderer ist | |
die Spezialisierung auf eine Nische oder Gruppe von Leser*innen. In den | |
Buchbox-Buchhandlungen sind es Familien und Kinder. In Berlin gibt es aber | |
auch Buchläden speziell für Krimis, schwul-lesbische Literatur oder | |
Fantasybücher. Die Zeiten, in denen eine Buchhandlung es allen recht macht, | |
sind vorbei. Wer das versucht, wird scheitern, denn die größte Auswahl hat | |
Amazon. | |
Wie will die WUB unabhängige Buchhandlungen unterstützen? | |
Zum einen soll die WUB die Tätigkeit kleiner Buchläden in die | |
Öffentlichkeit tragen sowie Menschen für den Buy-Local-Gedanken | |
sensibilisieren. Zum anderen soll sie die Vernetzung, die Solidarisierung | |
und den Ideenaustausch unter Unabhängigen stärken. Vor der WUB gab es | |
meines Wissens nach keinen richtigen Zusammenschluss kleiner Buchläden. | |
Wer sind die „unabhängigen Buchhandlungen“? | |
Der Begriff ist nicht genau festgelegt. In Deutschland gibt es große | |
Ketten, die behaupten, sie wären unabhängig. Für eine Teilnahme an der WUB | |
sollte der Umsatz eines einzelnen Ladens eine Million Euro nicht | |
überschreiten, die Inhaber*innen müssen selbst im Laden arbeiten, und | |
während der Aktionswoche soll so viel wie möglich auf die Beine gestellt | |
werden. Einigen geht es aber nicht so sehr darum, Veranstaltungen zu | |
organisieren, sondern auf die Bedeutung unabhängiger Buchläden für die | |
Kultur im Stadtteil und die Leseförderung aufmerksam zu machen sowie | |
Menschen zum Nachdenken über ihr Kaufverhalten anzuregen. | |
Die WUB hat auch einen Literaturpreis: das „Lieblingsbuch der | |
Unabhängigen“. | |
Die Idee resultierte aus der Feststellung, dass der Deutsche Buchpreis | |
nicht die Lieblingsbücher der Buchhändler*innen abbildet. Die Schnittmenge | |
ist meist nicht groß. Dieses Jahr stand nur „Herkunft“ von Saša Stanišić | |
auf beiden Shortlists. Das liegt daran, dass unser Preis nicht von einer | |
Jury vergeben wird. Alle Buchhandlungen nominieren ihre Lieblingsbücher. | |
Die fünf meistgenannten bilden dann die Shortlist. Dann stimmen die | |
Buchläden noch mal für den Gewinner ab. So wollen wir die Wahl von normalen | |
Leser*innen zum Ausdruck bringen. | |
Die WUB läuft bis 9. November | |
6 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Gloria Reményi | |
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