# taz.de -- Machtkampf in der CDU: Auf schwankenden Planken | |
> Die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer wankt, im Fernsehen ätzt | |
> Friedrich Merz, die Kanzlerin reist nach Indien. Was ist los in der CDU? | |
Bild: Wer stützt wen? CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer und Thüringens Sp… | |
Am Mittwoch der zurückliegenden Woche erschien in der Frankfurter | |
Allgemeinen Zeitung ein Namensbeitrag des CDU-Generalsekretärs. Das Blatt | |
gilt seit etlichen Jahren als die geeignete Plattform für Konservative; wer | |
der Unionspartei etwas mitzuteilen wünscht, findet hier seine Zielgruppe. | |
1999, vor genau zwanzig Jahren, hatte ebenfalls in der FAZ eine andere | |
CDU-Generalsekretärin – Angela Merkel – gefordert, die Partei möge mit | |
ihrem Ehrenvorsitzenden Helmut Kohl brechen. Ihr Text – Aufmacher auf Seite | |
2, Ressort Politik – war überschrieben mit „Die von Helmut Kohl | |
eingeräumten Vorgänge haben der Partei Schaden zugefügt“. | |
Der Beitrag markierte den Aufbruch der Christlich Demokratischen Union ins | |
21. Jahrhundert. Und er ist bis heute die Folie für die Erzählung von der | |
harmlos wirkenden, tatsächlich jedoch männermordenden Angela Merkel. Es | |
ist diese Erzählung, die bis in die Gegenwart Männer – junge, ältere, alte | |
– zur Rache anspornt. | |
Der diese Woche erschienene Text von Paul Ziemiak für die FAZ – Aufsetzer | |
auf Seite 8, Ressort Zeitgeschehen, Rubrik „Fremde Federn“ – trägt den | |
Titel [1][„CDU und Linke sind wie Feuer und Wasser“]. Es geht diesmal nicht | |
um Aufbruch, sondern um Schadensbegrenzung. | |
Ziemiak schreibt, es könne ja sein, dass „manche“ eine Zusammenarbeit von | |
CDU und Linke gut fänden. „Ich könnte das nie.“ Politische Mehrheiten | |
ergäben sich eben nicht nur aus dem Addieren von Mandaten, sondern aus der | |
Summe gemeinsamer Überzeugungen. „Das gibt es mit der Linkspartei nicht.“ | |
Die Klarstellung war nötig geworden, weil es nach der Landtagswahl in | |
Thüringen heftige Abweichbewegungen von der Parteilinie gegeben hatte, was | |
wiederum die Vorsitzende der Bundes-CDU bedenklich ins Rutschen bringt. | |
Thüringens Landeschef Mike Mohring – minus 11,7 Prozent – war mit seinen | |
Christdemokraten von Platz eins auf Platz drei abgerutscht. Gleichwohl | |
verspürte er „einen Auftrag, verantwortlich mit dem Ergebnis umzugehen“, | |
also Machtoptionen mit Bodo Ramelow auszuloten. Und dann sprach er auch | |
noch diesen epischen Satz: „Ich brauche nicht Berlin, um zu wissen, was für | |
Thüringen nützlich ist.“ | |
Berlin – das ist für LandespolitikerInnen der CDU das Konrad-Adenauer-Haus. | |
In dem futuristischen Bau in der Klingelhöferstraße sitzt die | |
Parteizentrale, dort haben die Vorsitzende und ihr Generalsekretär das | |
Sagen. | |
Ebendieser Generalsekretär Paul Ziemiak hatte noch am Sonntagabend, | |
unmittelbar nach Bekanntwerden der ersten Prognosen klargestellt: „Unser | |
Wort gilt auch nach den Wahlen: Es wird von der CDU keine Koalition mit der | |
Linkspartei oder der AfD geben.“ | |
Was im Laufe der nächsten Tage folgte, ist hinlänglich bekannt und fühlt | |
sich für interessierte BeobachterInnen an, als habe sich die CDU die | |
Aufführungsrechte bei den SozialdemokratInnen besorgt. Das Drama ist noch | |
nicht zu Ende. | |
## Nicht ausgeknockt | |
Aber was man jetzt, quasi in der Pause, festhalten kann, ist dies: Annegret | |
Kramp-Karrenbauer ist massiv angegriffen worden. Sie ist angeschlagen, sie | |
wankt. Aber sie ist nicht ausgeknockt. Denn sie hat sich gewehrt und zum | |
taktischen Gegenschlag ausgeholt. | |
Der Reihe nach. Am Montag nach der Thüringenwahl gibt es Knatsch im | |
Bundesvorstand, weil Mike Mohring nicht einsehen will, warum er nicht | |
einfach mal mit dem Bodo reden sollte. Ziemiak weist, völlig zu Recht, auf | |
den geltenden Abgrenzungsbeschluss der CDU hin; dann wird es | |
unübersichtlich. | |
Vorstandsmitglieder fordern einen sofortigen Beschluss, der das ohnehin | |
Beschlossene einfach noch mal bekräftigt. Die Parteivorsitzende und die | |
Kanzlerin sollen dies laut Bild-Berichterstattung als überflüssig abgelehnt | |
haben. Woraufhin Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union, mal eben | |
fordert, [2][hier und jetzt die Führungsfrage zu klären]. | |
In der anschließenden Pressekonferenz mit Mike Mohring wagt | |
Kramp-Karrenbauer dann die Vorwärtsverteidigung. Sie weiß, dass aus der | |
CDU-Gremiensitzung eh alles an die Medien durchgestochen wird, sie spricht | |
vom „Liveticker“. Also sagt sie, sie habe bekanntlich vor Jahresfrist das | |
Rennen um den Parteivorsitz gewonnen und stehe deshalb in der | |
Verantwortung. Wer meine, es besser zu können, möge auf dem Parteitag in | |
drei Wochen einen entsprechenden Antrag stellen. | |
## Und dann tritt Merz auf | |
Prompt meldet sich Friedrich Merz zu Wort. Dem ZDF gibt er ein Interview, | |
das in Duktus und Wortwahl so noch nicht gesehen ward im deutschen | |
Fernsehen. Inhaltlich erinnert es entfernt an Merkels FAZ-Beitrag von 1999. | |
Merz fordert unumwunden, die Partei möge mit ihrer Kanzlerin brechen und | |
jetzt mal andere ranlassen. | |
Seit Jahren lege sich „wie ein Nebelteppich die Untätigkeit und die | |
mangelnde Führung durch die Kanzlerin“ über das Land, sagt er dem Sender. | |
Das gesamte Erscheinungsbild der Bundesregierung sei „einfach | |
grottenschlecht“. Er könne sich nicht vorstellen, dass „diese Art des | |
Regierens in Deutschland“ noch zwei Jahre so weitergehen könne. | |
Es ist nichts weniger als der Versuch, Merkel derart zu reizen, dass sie | |
ihren Panzer ablegt und den Weg frei macht für jene Sorte Erneuerung, die | |
dem 63 Jahre alten Friedrich Merz vorschwebt: seine Anwartschaft auf die | |
Kanzlerkandidatur. | |
Denn Merz, vor zehn Jahren aus der Bundespolitik ausgeschieden, Lobbyist | |
und zuletzt gescheiterter Kandidat für den Parteivorsitz, möchte Kanzler | |
werden. Die Bild-Zeitung, immer nah dran an dem Sauerländer, schreibt | |
ausdrücklich: „Merz will nicht Parteichef werden, nur Kanzler.“ Der | |
Vorsitzendenjob, um den er sich im letzten Jahr noch beworben hatte, | |
scheint nicht mehr attraktiv genug. Merkel soll weg. | |
## Merkel in Indien | |
Doch Merkel schweigt und reist planmäßig nach Indien. Anders als ihre | |
Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer hat sie in 18 Vorsitzendenjahren die | |
Fähigkeit perfektioniert, Angreifer gerne mal ins Leere laufen zu lassen. | |
Gerade in Parteiangelegenheiten hält sie sich seit ihrem herzerweichenden | |
Abschied vor Jahresfrist wohlweislich zurück. | |
Eine Einmischung in Kramp-Karrenbauers Belange, ein irgendwie als solches | |
zu verstehendes Machtwort würde dieser als Schwäche ausgelegt. Hinzu kommt | |
wohl die Überzeugung, dass Stresstests dazugehören, für eine Kanzlerin in | |
spe erst recht. Wer Angriffe nicht parieren und nicht ohne Eitelkeit | |
weiterarbeiten kann, wäre ohnehin falsch im Kanzleramt. | |
So muss Annegret Kramp-Karrenbauer also schauen, wie sie die offen zutage | |
liegende Führungskrise löst. In drei Wochen ist Parteitag in Leipzig; dann | |
scheint vieles möglich. Es wäre also gut, wenn die Vorsitzende und ihr | |
Generalsekretär sich strategisch auf alle Eventualitäten einstellen würden. | |
Wichtig: Kramp-Karrenbauer darf bis dahin nicht in den Verteidigungsmodus | |
zurückfallen. | |
Denn prompt nach ihrer Kampfansage an ihre innerparteilichen Widersacher | |
waren deren Stimmen verhaltener geworden. Eine Gruppe maßgeblicher | |
Bundestagsabgeordneter aus der Unionsfraktion hat die Querschläger in | |
einer gemeinsamen Erklärung aufgefordert, „dieses Verhalten sofort | |
einzustellen“. Gesundheitsminister Jens Spahn, dem selbst Ambitionen auf | |
die Kanzlerkandidatur nachgesagt werden, sagt: „Diese Debatte wird der CDU | |
nicht gerecht.“ | |
## Tauber holt Kohl raus | |
Und der frühere Generalsekretär Peter Tauber zitiert auf Twitter Helmut | |
Kohl: „Wer sich auf Kosten der Partei profilieren will, wer sich gegen den | |
Geist der Solidarität zur Partei versündigt, der katapultiert sich selbst | |
aus unserer Gemeinschaft heraus.“ | |
Und als sei nicht genug los gewesen in der zurückliegenden Woche, tut sich | |
in Thüringen ein weiterer Krisenherd auf. Der dortige Vizefraktionschef der | |
CDU sagt gegenüber der Welt, er halte die AfD für eine „konservative | |
Partei“ und wolle, dass die CDU mit den Rechten in einer „bürgerlichen | |
Mehrheit rechts“ zusammenarbeitet. Eine gute Gelegenheit für Annegret | |
Kramp-Karrenbauer, die Führungsfrage sehr deutlich zu beantworten. | |
1 Nov 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/paul-ziemiak-union-und-linke-sin… | |
[2] /Machtkampf-in-der-CDU/!5633689 | |
## AUTOREN | |
Anja Maier | |
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