# taz.de -- nordđŸthema: Leidende Lerchen, erschöpfte Eulen | |
> Der Schlaf ist zentral fĂŒr Wohlbefinden und LeistungsfĂ€higkeit. Wer zu | |
> wenig davon bekommt, dem kann das ernste Krankheiten bescheren | |
Bild: Griff in den KrĂ€utergarten: Der Kamille wird eine beruhigende Wirkung na… | |
Von Yasemin Fusco | |
Eule oder Lerche? Oder, wissenschaftlicher: Wissen Sie, welcher âChronotypâ | |
Sie sind? Erkenntnisse ĂŒber den menschlichen Schlaf gibt es nicht erst | |
dieser Tage viele â aber sie verbreiten sich gerade wieder besonders | |
geschmeidig. Was zu tun haben könnte das mit der drÀuenden dunklen | |
Jahreszeit â und der nun ja doch noch mal anstehenden Zeitumstellung. âWenn | |
die Tage kĂŒrzer werden, steigert unser Körper die Bildung des Schlafhormons | |
Melatoninâ, weiĂ etwa Hannes Dietrich von der KaufmĂ€nnische Krankenkasse in | |
Hamburg (KKH). Auch wird durch den Lichtmangel im Winterhalbjahr die | |
Produktion des GlĂŒckshormons Serotonin gedrosselt. | |
Aber zurĂŒck zum Chronotypus: Den können neuerdings Wissenschaftler*innen | |
der Berliner Charité per Bluttest ermitteln. Er bestimmt, zu welcher Tages- | |
und Nachtzeiten ein Mensch besonders gut ausgeruht ist â und welcher Art | |
von SchlĂ€fer*in er oder sie angehört: Der eine kann frĂŒh raus, muss es | |
vielleicht sogar, die andere kriegt das nur unter MĂŒhen hin â wird dafĂŒr | |
aber abends auch nicht so frĂŒh mĂŒde. Im Volksmund: Lerche und Eule. | |
## FĂŒnf Prozent leiden an Schlafstörungen | |
TatsÀchlich schlafen und wachen die Menschen ja gerade nicht immer so, wie | |
sie es eigentlich sollten â und fĂŒnf Prozent der Deutschen leiden unter | |
einer chronischen Schlaflosigkeit. Chronisch bedeutet hier: Die Probleme | |
beim Ein- oder auch Durchschlafen treten mindestens an drei Tagen pro Woche | |
auf, und das zwischen einem und drei Monaten in Folge. | |
Laut dem [1][jĂŒngsten Gesundheitsreport] der Barmer-Krankenkasse leiden | |
etwa in Hamburg mehr als 51.000 Menschen unter Àrztlich attestierten Ein- | |
und Durchschlafstörungen: also rund vier Prozent. Mehr als ein Drittel der | |
in diesem Zusammenhang befragten Hamburger*innen zwischen 15 und 74 Jahren | |
gaben an, nicht ausreichend lange zu schlafen, mehr als 30 Prozent haben | |
das GefĂŒhl, unter einer Schlafstörung zu leiden. âIn Berlin, dem Saarland | |
und in Bremen wurden 2017 besonders hĂ€ufig Schlafstörungen diagnostiziertâ, | |
auch das ist zu erfahren, âin Sachsen, Sachsen-Anhalt und | |
Mecklenburg-Vorpommern dagegen eher seltenâ. | |
Die Ursachen sind so offensichtlich wie vielfÀltig: Bei rund 53 Prozent der | |
Betroffenen wurde laut Barmer eine anhaltende, krankhaft verÀnderte | |
negative Grundstimmung diagnostiziert, ein Viertel litt demnach neben den | |
Schlafstörungen unter psychischen Erkrankungen. Eine weitere und immer | |
weniger zu unterschÀtzende Ursache: das Licht. Genauer: falsches Licht, | |
emittiert von all den Touchscreens um uns herum. Wer spÀt noch Smartphone | |
und Tablet-Computer nutzt, bei dem stört das Licht, das sie abgeben, die | |
Einschlafphase. Das hat mit hohen Blauanteilen zu tun; inzwischen bieten | |
viele Hersteller deshalb einen Nachtmodus an: Der sorgt fĂŒr mehr Rot, das | |
nicht so hartnÀckig wach hÀlt. | |
Die Folgen dauerhaft gestörten Schlafs können gravierend sein, sagt Holger | |
Hein, Facharzt fĂŒr Pneumologie, Allergologie und Schlafmedizin aus Reinbek, | |
der in Geesthacht ein Schlaflabor betreibt. Die verursachten Erkrankungen | |
reichen von Herz-Kreislauf- ĂŒber Stoffwechselerkrankungen bis hin zu | |
gesteigerter Tumorbildung. | |
âEs hat nicht jeder oder jede die gleiche SchuhgröĂe, genauso wenig haben | |
alle dasselbe Schlafverhalten oder denselben Schlaf-Wach-Rhythmusâ, sagt | |
Hein. Nun können aber nur wenige Menschen frei darĂŒber bestimmen, wie lange | |
sie schlafen â auch die diversen Krankenkassen-Erhebungen zur | |
Schlaflosigkeit stellen sie in einen engen Zusammenhang mit den | |
Erfordernissen des Arbeitslebens, mit ArbeitsunfÀhigkeit und Fehltagen. | |
FĂŒr den oder die Chef*in interessant: Wirtschaftliche Erfolge lassen sich | |
am besten mit produktiven, weil ausgeschlafenen Kolleg*innen erzielen. Die | |
Barmer Krankenkasse weist auf SchÀtzungen hin, wonach das | |
Bruttosozialprodukt rund 1,6 Prozent niedriger ausfÀllt wegen | |
Schlafstörungen und dadurch verursachter Abwesenheit vom Arbeitsplatz. | |
Damit nicht genug: Ein Thema sei der Schlaf schon in der Schule, sagt Hein. | |
Im Laufe des Lebens verÀndere sich der Chronotypus: WÀhrend Kleinkinder zur | |
Lerche zÀhlen, wovon Eltern manches Lied singen können, kehre sich das | |
spÀtestens in der PubertÀt um: Davon seien gerade Jungs betroffen, sie | |
fĂŒhlen sich meistens deutlich spĂ€ter wach als zum regelhaften | |
Unterrichtsbeginn um 8 Uhr. âDie Schulzeit ist auf die Lehrenden im | |
Erwachsenenalter ausgerichtetâ, sagt Hein â nicht auf die SchĂŒler*innen. Im | |
fortschreitenden Alter entwickele sich der Mensch dann wieder mehr in | |
Richtung Lerche. | |
Wirksame Therapien gegen die chronische Schlaflosigkeit gebe es einige, | |
sagt Hein. âSie beginnen aber immer mit der ersten Phase â die der | |
Selbstreflexion.â Im Weiteren können Schlafprotokolle Auskunft ĂŒber das | |
eigene Schlafverhalten geben: Wann fÀllt das Schlafen leicht und das | |
Aufstehen schwer? Oft werde die Schlafstörung subjektiv viel ausgeprÀgter | |
wahrgenommen als sie sich schwarz auf weiĂ in den eigenen Aufzeichnungen | |
zeige. âEs gibt Studien dazu, die zeigen, dass die kognitive | |
Verhaltenstherapie genauso gut wie die medikamentöse Behandlung | |
funktioniertâ, sagt Hein. Letztere empfehlen Mediziner*innen ohnehin | |
allenfalls fĂŒr kurze Fristen â wegen der Gefahr von AbhĂ€ngigkeiten. | |
## GefĂŒhlt sind die Probleme oft noch gröĂer | |
Auch FitnessarmbÀnder könnten weiterhelfen: Klar, nicht gegen | |
Schwierigkeiten beim Einschlafen. Aber um die Tiefe des Schlafs zu | |
ermitteln, also die QualitÀt: Wer besser schlÀft, bewegt sich wÀhrenddessen | |
weniger. âIm Grunde geht es um regelmĂ€Ăige Schlaf-Wach-Einheitenâ, sagt | |
auch Hein: âZeiten, die dem eigenen Empfinden am meisten zusprechen.â Muss | |
ja nur noch die (Arbeits-)Welt mitziehen. | |
26 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.barmer.de/presse/infothek/studien-und-reports/gesundheitsreport… | |
## AUTOREN | |
Yasemin Fusco | |
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