# taz.de -- taz🐾thema: Aber bitte ohne Sahne | |
> Pflanzliche Alternativen für Milcherzeugnisse sind auf dem Vormarsch. | |
> Doch auch bei den Produkten aus Hafer, Soja oder Nüssen gibt es einiges | |
> zu beachten, etwa bei Inhaltsstoffen | |
Bild: Veganer Ersatz für Käse in der Frühstücksschale: Vor allem selbst gem… | |
Von Katja-Barbara Heine | |
„Lebensmittelindustrie, leg deine Zahlen offen“, fordert | |
Haferdrink-Hersteller Oatly auf seinen Verpackungen. Damit nicht genug: Mit | |
einer Petition will das schwedische Unternehmen ein Gesetz zur | |
CO2-Kennzeichnung von Lebensmitteln durchsetzen, schließlich verursacht die | |
Industrie, insbesondere Massentierhaltung, fast ein Viertel der weltweiten | |
Treibhausgase. Für die Aktion rührt Oatly bundesweit die Werbetrommel. Kurz | |
vor Redaktionsschluss waren 6.096 Stimmen zusammengekommen, bis 12. | |
November kann auf der Website des Bundestages noch unterschrieben werden. | |
## Am besten Bioanbau | |
Oatly setzt sich radikal für eine Welt ohne Tierprodukte ein und ist damit | |
auf der Erfolgsspur: In kürzester Zeit haben die Schweden hierzulande einen | |
Marktanteil von zehn Prozent erobert. Die meisten Pflanzendrinks verkauft | |
zwar immer noch Danone mit einer großen Auswahl an Soja-, Nuss-, Hafer- und | |
Reisdrinks der Marke Alpro. Oatly hat aber den Vorteil, dass ausschließlich | |
heimischer Hafer verarbeitet wird und die Ökobilanz mit gerade mal einem | |
Fünftel des bei der Kuhmilch-Herstellung produzierten CO2 geradezu | |
vorbildlich ist. | |
Soja mag ein optimaler Proteinlieferant sein, sein Image ist durch | |
Regenwaldrodung und Gentechnik stark angekratzt. Beim Mandelanbau werden | |
Unmengen Wasser verbraucht, zudem kommen die meisten Nüsse aus Übersee. In | |
einer Studie von Öko-Test, die 18 Pflanzendrinks auf Glyphosat, Schadstoffe | |
und Gentechnik untersuchte, schnitten Haferprodukte aus Bioanbau am besten | |
ab. Oatly erhielt aufgrund von verarbeitetem Calciumphosphat und | |
Vitaminzusätzen nur ein „befriedigend“. | |
Nach Schätzung der Organisation ProVeg ernähren sich in Deutschland etwa | |
1,3 Millionen Menschen vegan. Neben den Klimaauswirkungen sind für viele | |
das Tierleid oder die Gesundheit ausschlaggebende Motive. Zwar empfiehlt | |
die Deutsche Gesellschaft für Ernährung immer noch einen täglichen Verzehr | |
von 250 Gramm Milch, Käse oder Joghurt, um den Nährstoffbedarf zu decken. | |
Doch immer häufiger stufen Wissenschaftler Milchprodukte als ungesund ein. | |
So auch Dr. Ernst Walter Henrich, Gründer der Provegan Stiftung: | |
„Milchprodukte sind am höchsten mit kanzerogenen Umweltgiftstoffen wie PCB | |
und Dioxinen belastet. Außerdem enthalten sie Hormone und Kasein, die | |
ebenfalls stark krebsfördernd wirken.“ | |
In Deutschland ist der Milchkonsum über die letzten zehn Jahre um fast ein | |
Zehntel eingebrochen, das Geschäft mit Ersatzprodukten hingegen boomt. 2018 | |
wurde sogar ein auf den 22. August festgesetzter Weltpflanzenmilchtag | |
(World Plant Milk Day) eingeführt. Laut EU-Gerichtshof darf sich allerdings | |
sich nur „Milch“ nennen, was aus dem Tiereuter kommt. Auf den meisten | |
Ersatzprodukten steht deshalb „Drink“. Mittlerweile hat fast jede | |
Supermarkt- und Drogeriekette eigene Marken, jeder Pflanzendrink schmeckt | |
anders, je nachdem, ob er mit Calcium und Vitaminen angereichert, gesüßt | |
oder künstlich aromatisiert wurde. Inhaltsstoffe sollte man aufmerksam | |
studieren. Auch Joghurt, Quark, Sahne und Pudding werden zunehmend durch | |
rein pflanzliche Produkte ersetzt. In den letzten Monaten sind, vor allem | |
bei Joghurt, vegane Alternativen aus Cashew- und Kokosnuss hinzugekommen. | |
Was alle Pflanzenprodukte eint, ist, dass sie verarbeitete Lebensmittel | |
sind. „Der einzige Ersatz, zu dem ich rate, ist Sojajoghurt und | |
Kokosjoghurt und eventuell ungesüßte Pflanzenmilch“, so der Mediziner | |
Henrich. „Die Joghurts haben wertvolle Bakterienkulturen. Allerdings sollte | |
man darauf achten, dass kein raffinierter Zucker enthalten ist.“ Am besten | |
sei es aber, ganz ohne Milchersatz auszukommen, „weil industriell | |
hergestellte Produkte nicht gesundheitsfördernd sind“. | |
Der Verzicht auf Käse fällt vielen besonders schwer, was Henrich so | |
erklärt: „Der hohe Fettgehalt und die Casomorphine im Käse machen süchtig. | |
Wer aufhören möchte, muss einen starken Willen haben und radikal stoppen. | |
Nach einigen Wochen lässt die Sucht nach, das ist wie beim Rauchen.“ Ist | |
der Körper erst mal entwöhnt, wird der Geruch von Käse häufig sogar als | |
unangenehm empfunden. | |
## Mach’s dir lebendig | |
Wer während der Entwöhnungsphase auf Käse-Ersatz im Supermarktregal | |
zurückgreift, wird mit größter Wahrscheinlichkeit enttäuscht. „Die Produk… | |
schmecken nicht und sind voller Konservierungsstoffe“, sagt Alexis Goertz, | |
Mitgründerin von Edible Alchemy. Das junge, auf Fermentierung | |
spezialisierte Unternehmen bietet unter anderem Workshops an, in denen | |
Teilnehmer selbst veganen Käse herstellen. Grundlage sind eingeweichte, | |
gemahlene Nüsse, etwa Cashews oder Mandeln, sowie Bohnen oder Kürbiskerne. | |
Durch das Einweichen sind sie bereits „aktiviert“, probiotischer Rejuvelac | |
(der sich etwa mit gekeimter Quinoa ganz einfach selber machen lässt) | |
kurbelt die Fermentierung weiter an. Das Grundrezept kann nach Wunsch | |
verfeinert werden: Hefeflocken erzeugen den typisch käsigen Geschmack, | |
Kurkuma sorgt für die gelbe Farbe, für Schmelzfähigkeit – etwa, wenn der | |
Käse zum Überbacken genutzt werden soll – muss Kokosöl ins Rezept. | |
Auch wenn sich das Ergebnis echtem Käse nur annähert, ist es extrem lecker | |
und gesund für Verdauung und Immunsystem. Verschlossen im Kühlschrank sind | |
die Produkte mehrere Tage haltbar, ihr Geschmack kann sich noch | |
intensivieren. Denn, anders als Ersatzprodukte aus dem Supermarkt, ist der | |
selbst gemachte Nusskäse „lebendig“. | |
26 Oct 2019 | |
## AUTOREN | |
Katja-Barbara Heine | |
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