# taz.de -- Algorithmus und Indus | |
> Im Weddinger Projektraum Uqbar läuft „A Vital Piece of Information“. Die | |
> Schau zeigt Technik und Natur in Zeiten des Klimawandels in Gestalt | |
> zweier sehr unterschiedlicher künstlerischer Positionen aus Indien und | |
> Pakistan | |
Bild: Ausstellungsansicht von Sabah Saeeds Thesenpapieren | |
Von Lorina Speder | |
Noor us Sabah Saeed aus Pakistan und Pratyush Raman aus Indien trafen sich | |
zum ersten Mal im September in Berlin. Sie kamen über zwei verschiedene | |
Residenzprogramme in das künstlergeführte „Lacuna Lab“ am Paul-Linke-Ufer. | |
Hier arbeiten, denken und forschen interdisziplinäre Kreative im Kollektiv | |
– Sabah Saeed und Raman wurden für knapp einen Monat ein Teil davon und | |
arbeiteten ihre künstlerischen Projekte aus, die sich zwischen Wissenschaft | |
und Kunst bewegen. Ihre Arbeiten stellen sie nun unter dem Titel „A Vital | |
Piece of Information“ in dem Weddinger Projektraum Uqbar aus. | |
Sabah Saeed beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Erderwärmung auf den | |
sich über 3.000 Kilometer erstreckenden Fluss Indus, der durch ihre Heimat | |
Pakistan verläuft. Seit 2013, als sie sich der aktivistischen Bewegung 350 | |
anschloss, beschäftigt sie das Thema. Ihr Künstlerkollege Raman sucht in | |
seiner Arbeit einen neuen Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Für den | |
studierten Ökonomen und Dozenten für kreatives Coding ist das der nächste | |
große Schritt, den die Menschheit gehen muss. In seiner Installation | |
„tubed“ sieht man bei Uqbar neun projizierte Videos, die sich nach Vorbild | |
der Empfehlungen von YouTube verändern. Mit einer im Raum installierten | |
Kamera bricht der Künstler jedoch mit diesem System und legt damit offen, | |
was sonst im Verborgenen stattfindet. Zwischen Musikvideos, Gitarre | |
spielenden Unbekannten oder einem Albumcover der Band Santana taucht | |
nämlich immer wieder das eigene Gesicht auf. Raman erinnert damit daran, | |
wie sehr wir die Daten von YouTube und anderen Netzwerken selbst in der | |
Hand haben. | |
Der Künstler wurde vom Goethe-Institut Indien in Bangalore für das | |
bangaloREsidency-Expanded Programm ausgewählt. Künstlerin Sabah Saeed las | |
von dem Austauschprogramm und kontaktierte das Lacuna Lab mit einem eigenen | |
Projektvorschlag. Die E-Mail landete bei Thomas Heidtmann, selbst Künstler | |
und einer der Gründungsmitglieder von Lacuna Lab. Er machte Förderungen | |
möglich, damit auch Sabah Saeed nach Berlin kommen konnte. Als Kurator hat | |
Heidtmann sich einen schwierigen Job ausgesucht. Denn die thematische | |
Vereinbarkeit von den Folgen der Erderwärmung auf eine bestimmte Region und | |
Künstlicher Intelligenz liegt nicht unbedingt nahe. Auch führen die | |
KünstlerInnen ihre Arbeiten sehr unterschiedlich aus – Raman verarbeitet | |
seine Anliegen abstrakt in seiner Installation. Sabah Saeed hingegen geht | |
eher dokumentarisch vor. Über ihre Werke, die aus Thesenpapieren, Videos | |
und Sound-Installationen bestehen, vermittelt sie viele wissenschaftliche | |
Informationen. Deshalb ist es gut, dass Heidtmann die zwei Projektarbeiten | |
in getrennten Räumen präsentiert. So kann man sich auf die Werke besser | |
einlassen. | |
Sabah Saeeds Thesenpapiere befinden sich auf einer tiefen Tischplatte, eine | |
kleine Schreibtischlampe steht darauf. Hier kann man mehr über ihre Treffen | |
mit Bewohnern der Indus-Region lesen. Über Kopfhörer im Raum hört man, dass | |
das Flussdelta heute kaum noch von dem Süßwasser aus dem Himalaja erreicht | |
wird. Die gestörte Balance aus salzigem Meereswasser und Süßwasser betrifft | |
Tausende Landwirte, deren Erträge einen Großteil der Wirtschaft in Pakistan | |
stellen. Außerdem sieht man im Ausstellungsraum eine Videoarbeit mit | |
Bildern von Orten, an denen der Fluss schon ausgetrocknet ist. Für die | |
Aufnahmen benutzte Sabah Saheed unter anderem Satellitenbilder von Google | |
Earth. | |
Für beide KünstlerInnen ist das Arbeiten mit digitalen Medien oder | |
Plattformen wie YouTube oder Google Earth selbstverständlich. Das macht sie | |
zwar inhaltlich nicht vergleichbar, doch zeigt sich darin ein Zeichen | |
unserer Zeit. Der technologische Fortschritt bestimmt immer mehr unser | |
Leben und ist aus der globalen Debatte nicht mehr wegzudenken. Ramans | |
Bedenken bezüglich Künstlicher Intelligenz, die sich über seine | |
Installation offenbaren, sind mehr als gerechtfertigt. Was die beiden | |
Kreativen wohl in ihren Überlegungen verbindet, ist die humane Komponente, | |
auf die ihre Arbeiten ausgelegt sind. Es geht es um die Frage, was der | |
Mensch zu tun hat oder wie er in einer Zeit des fortschreitenden Wandels | |
reagiert. Was Raman auf die Künstliche Intelligenz wie Empfehlungssysteme | |
bei YouTube bezieht, wird bei Sabah Saeed eine Frage in Hinsicht auf die | |
Natur. Der Bezug auf den Menschen verbindet die zwei unterschiedlichen | |
Positionen in der Ausstellung. Dabei wird deutlich, dass die Entwicklung | |
beider Seiten, von Natur und Technik, wohl zum ersten Mal in der Geschichte | |
komplett in der Hand der Menschheit liegt. | |
Bis 27. Oktober, Fr. 17–20 Uhr, Sa. 14–17 Uhr, So. 12–17 Uhr | |
22 Oct 2019 | |
## AUTOREN | |
Lorina Speder | |
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