Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Geheime Wolfsjagd
> Im Landkreis Nienburg lässt das Umweltministerium seit Monaten nach
> „Problemwolf“ Roddy suchen. Von wem, verschweigt die Behörde. Sie
> fürchtet Angriffe durch WolfsschützerInnen
Bild: Manche Wölfe genießen nur ausgestopft Sympathie: Roddys Vorgänger, der…
Von Jana Hemmersmeier
Er soll getötet werden, dieser „Roddy“. Das ist seit Monaten klar. Doch bis
heute sucht das niedersächsische Umweltministerium nach dem Rodewalder
Wolf. Das Land hat dafür sogar eigens einen „externen Dienstleister“
beauftragt. Wer allerdings dahinter steckt? Dazu will die Behörde keine
Angaben machen. Weder Jäger*innen noch Landtagsabgeordnete sind informiert.
So will das Umweltministerium Beteiligte vor Angriffen radikaler
Tierfreunde schützen.
Immer wieder greift Wolf Roddy laut Ministeriumsangaben Schafe und Rinder
im Kreis Nienburg an. Auch im September gab es wieder Rinderrisse im
Territorium des Rodewalder Rudels. Solche Angriffe auf Großvieh seien eine
mögliche Begründung, den Wolf weiter zu jagen. Die Ausnahmegenehmigung, die
das eigentlich geschützte Tier zum Abschuss freigibt, hat das Ministerium
daher auch für Oktober verlängert.
Für den beauftragten Dienstleister hat das Ministerium 150.000 Euro
veranschlagt. „Es ist eine besondere Sachkenntnis nötig, um den Wolf zu
identifizieren“, sagt Ministeriumssprecherin Lotta Cordes. Unter anderem
seien Wildkameras im Einsatz.
Dabei überwacht auch die Landesjägerschaft (LJN) Wölfe mit Fotofallen und
kontrolliert die Losung. Im betroffenen Gebiet hat der Verband das nach
eigenen Angaben sogar intensiviert. „Aus unserer Sicht sind unsere
Monitoringergebnisse sehr gut, auch und gerade im Bereich Rodewald“, sagt
Florian Rölfing, Sprecher der Landesjäger.
Warum also der „Dienstleister“? Ministeriumssprecherin Cordes spricht von
zusätzlicher Manpower, die man damit habe. Die Landesjäger indes haben nach
eigener Aussage nichts mit dem Dienstleister zu tun und kennt diesen nicht.
Und: An der Suche nach Roddy sind die Berufsjäger*innen derzeit überhaupt
nicht beteiligt. Das geht aus einer Antwort des Ministeriums auf einen
Grünen-Anfrage hervor. Jägersprecher Rölfing erklärt, dass es dafür auch
keine Rechtsgrundlage gebe, betont Florian Rölfing.
## Jäger*innen könnten daneben schießen
Zwar sollten beispielsweise in Schleswig-Holstein zurzeit auch Jäger*innen
einen sogenannten Problemwolf abschießen. Der ist jedoch ein Einzeltier.
Der Rodewalder Wolf gehört dagegen zu einem Rudel: Die Landesjäger haben
zwei Alttiere, mindestens zwei Jährlinge und sechs Welpen gezählt. Für
Jäger*innen sei deshalb das Risiko zu groß, auf den falschen Wolf zu
schießen, erklärt Ministeriumssprecherin Cordes. Bevor er getötet werden
kann, muss der Wolf zuerst über einen DNA-Test durch das Land offiziell
identifiziert werden.
Wie das funktionieren soll? Der Grünen-Abgeordnete Christian Meyer
vermutet, dass der beauftragte Dienstleister Kastenfallen einsetzt. Danach
könnte ein amtlicher Veterinär das Tier einschläfern.
## Drohungen durch Tierschützer*innen
Auch in der Antwort auf die Anfrage der Grünen im Landtag äußert sich die
Behörde nicht näher zu den Beauftragten. Das könne den Erfolg des
Verfahrens und die Beteiligten gefährden, heißt es. Das Ministerium
befürchte Angriffe und Drohungen, vor allem über soziale Medien.
Darunter leiden wohl auch Wolfsberater*innen. Sie beraten ehrenamtlich
Landwirte, deren Tiere ein Wolf angegriffen hat. Hubert Wichmann aus
Nienburg hatte sich Anfang des Jahres zeitweise von dem Posten abberufen
lassen, weil er Drohungen erhalten hatte. „Du bist Schuld, dass Roddy
sterben muss“, zitiert Wichmann eine Mail. Von ähnlichen Erfahrungen
berichtet auch Werner Heggemann, Wolfsberater im Heidekreis. Schon als das
Land den Wolf „Kurti“ 2016 zum Abschuss freigab, hätten Wolfsschützer*inn…
die Beteiligten persönlich angegriffen.
Mitglieder des Vereins Wolfsschutz Deutschland gehen nach eigenen Angaben
regelmäßig im Wald spazieren, um durch ihre Anwesenheit die Suche zu
stören. Darauf verweist auch Ministeriumssprecherin Cordes. Strafbar hätten
sich die Aktivist*innen dabei aber nicht gemacht. Lediglich eine Fotofalle
sei demoliert gewesen, die Schuldigen seien nicht bekannt.
Der Tierschutzverein wirft Umweltminister Olaf Lies (SPD) und Jäger*innen
auf seiner Internetseite „mörderisches Handeln“ vor. Das Ministerium
verfolge „keinen anderen Zweck, als endlich einen Wolf zu töten“, schreibt
der mittlerweile verstorbene Wildbiologe und Wolfsschützer Ulrich
Wotschikowsky im April in einem Blog.
Der Nabu kritisiert in einer Stellungnahme, dass für ihn die Gründe für
einen Abschuss von Roddy nicht ausreichen: Wölfe sollten nur getötet
werden, wenn sie sich Menschen näherten. Das treffe auf den Rodewalder Wolf
nicht zu. „Das Rudel ist nicht sehr scheu, aber für Menschen bisher nicht
gefährlich“, sagt auch Wolfsberater Wichmann.
Wildkameras und DNA-Spuren belegen laut Umweltministerium und LJN, dass
sich der Wolf noch immer im Kreis Nienburg aufhält. Solange sich an der
Gefahr für Nutztiere nichts ändere, werde man weiter alles in Bewegung
setzen, um den Wolf zu töten, sagt Cordes. Ein Ende der bereits mehr als
achtmonatigen Suche ist demnach nicht in Sicht.
Die Grünen kritisieren, dass das Umweltministerium zu viel Geld für die
Jagd auf einen einzelnen Wolf ausgibt. „Das ist überhaupt nicht mehr
verhältnismäßig“, sagt Meyer. Aus der Antwort auf die Anfrage geht hervor,
dass die Suche bereits fast doppelt so teuer ist wie alle Entschädigungen,
die das Land in diesem Jahr für Wolfsschäden gezahlt hat.
4 Oct 2019
## AUTOREN
Jana Hemmersmeier
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.