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# taz.de -- berliner szenen: Nicht wirklich deine Liga
Nachts in Kreuzberg. Es ist kaum etwas los auf den Straßen. Ich schlurfe
müde nach Hause. In meiner Tasche krame ich schon nach dem Schlüssel. Als
ich in meine Straße einbiege, sehe ich in etwa 50 Metern Entfernung eine
Gruppe Halbstarker an den parkenden Autos rumlungern. Ich mustere sie und
versuche gleichzeitig den Anschein zu erwecken, dass ich sie gar nicht
wahrnehme. Eine Fähigkeit, die ich perfektioniert habe: Männer bloß nicht
durch irgendeine Form von Aufmerksamkeit zur Interaktion anregen, aber
gleichzeitig immer im Auge behalten, falls sie etwas vorhaben. Man weiß ja
nie.
Und siehe da: Die fünf Halbstarken haben natürlich etwas vor. Als ich auf
ihrer Höhe bin, löst sich der Schlaksigste aus der Gruppe, schlurft ein
paar Schritte auf mich zu. „Entschuldigung“, sagt er. Ich hoffe, dass er
vielleicht nur nach Feuer fragen will. Außerdem sehe ich es als meine
Aufgabe, gegen meine eigenen Vorurteile anzukämpfen. Deshalb bleibe ich,
wenn auch widerwillig, stehen und sage: „Ja?“ Ich bin erschrocken, wie
offensichtlich genervt ich klinge. Der lange Dünne auch. Er macht
einigermaßen große Augen und stottert ein bisschen, als er sagt: „Also,
mein Kumpel, also, der da drüben“, er deutet auf einen dunkelhaarigen
Kleinen (Typ Fitnessstudio, mindestens sechs Tage die Woche), „der findet
Sie gut.“ Ihm entgleist das coole Gesicht, als er merkt, dass er mich aus
Reflex gesiezt hat. Peinlich. Es bleibt ein schiefes Grinsen.
Einige für ihn unangenehme Sekunden Schweigen folgen, in denen ich
auskoste, dass wohl ausnahmsweise ich die Gefahr bin. Seine Kumpels feixen,
machen keine Anstalten, ihm zu helfen. Dann sagt er fast entschuldigend:
„Na ja, der ist wohl nicht wirklich deine Liga.“ Ich antworte: „Ne, haste
recht. Danke trotzdem.“ Jetzt kann ich gut schlafen.
Laura Sophia Jung
23 Sep 2019
## AUTOREN
Laura Sophia Jung
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