# taz.de -- Internationales Literaturfestival (2): Die Domina von nebenan | |
> Saskia Vogel erzählt in „Permission“, wie BDSM-Praktiken ihrer | |
> Protagonistin über Trauer hinweghelfen. Am Montag stellt sie das Buch vor | |
Von Laura Sophia Jung | |
Man ist versucht, den Debütroman einer Autorin, die unverschämt (im | |
doppelten Sinne) über Sex schreibt, als Provokation abzutun. Vor allem, | |
wenn es um BDSM geht, also Sexualpraktiken, bei denen Dominanz und | |
Unterwerfung, Lustschmerz und Strafen im Zentrum stehen. Es ist verlockend, | |
Parallelen zu „Fifty Shades of Grey“ zu ziehen. Ja, Saskia Vogel nimmt kein | |
Blatt vor den Mund, trotzdem ist „Permission“ keine schmuddelige | |
Softporno-Romanze. Vielmehr ist das Buch eine Studie über Trauer, | |
Einsamkeit und die heilende Kraft von Erotik. Auf Vogels Lesung beim | |
Internationalen Literaturfestival am Montag aus ihrem bislang nur auf | |
Englisch erschienenen Roman darf man deshalb gespannt sein. | |
Echo ist dabei, sich von ihren Eltern zu lösen, als der plötzliche Tod | |
ihres Vaters sie zurückwirft in die Isolation des elterlichen Hauses in | |
einem noblen Vorort von Los Angeles. Sie trifft auf Orly, eine Domina, die | |
mit ihrem „Houseboy“ Piggy in das Nachbarhaus einzieht. Vogel beschreibt – | |
mal aus Echos, mal aus Piggys Perspektive – welche Anziehungskraft Orly | |
ausübt und wie die Dreiecksbeziehung sich immer wieder neu kalibriert, um | |
für alle Geborgenheit zu ermöglichen. | |
Dabei greift Vogel, die heute in Berlin lebt, auf ihre eigenen Erfahrungen | |
in der BDSM-Community von Los Angeles zurück. Über Freunde fand sie als | |
junge Erwachsene Zugang, nachdem sie in ihrer Jugend, die sie in Schweden | |
verbracht hat, schon Fetischpartys besucht hatte – einfach, weil ihr die | |
Musik dort gefiel. Aber auch das Sexuelle zog Vogel schon früh an, wie sie | |
via Mail erklärt: „Ich denke, ich bin einer dieser Menschen, der immer | |
schon verstehen wollte, warum Sex so oft als etwas behandelt wird, was man | |
vom Rest des Lebens trennen muss, warum er so oft mit Scham und | |
Erniedrigung zusammenhängt.“ | |
Diesen Fragen wollte die heute 37-Jährige sich schon damals, mit Mitte | |
zwanzig, widmen. Sie recherchierte in der BDSM-Szene für ein Sachbuch zum | |
Thema, schrieb es aber nie. Die Aufgabe erschien ihr zu groß. Das Material, | |
das sie gesammelt hatte, blieb in den folgenden Jahren aber präsent, wurde | |
immer wieder neu gedacht und entwickelte sich schließlich zur Geschichte | |
von Echo, Piggy und Orly. | |
Echo und Piggy sind zutiefst verletzt. Echo vor allem, weil sie ihren Vater | |
so plötzlich verloren hat. Aber auch ihre Sexualität ist von Verletzung | |
geprägt: Ihre erste große Liebe zu einer Schulfreundin scheitert am | |
Unverständnis der Eltern des Mädchens. Piggy hingegen ist von Scham | |
zerfressen. Das Stigma, das seinen Vorlieben anhaftet, gibt ihm ein Gefühl | |
der Minderwertigkeit. Seine hektisch-heimliche Suche nach sexueller | |
Erfüllung, die ihn erst von Telefonzelle zu Telefonzelle und dann von | |
Domina zu Domina treibt, beschreibt Vogel in knappen Sätzen. Piggys Panik, | |
seine Hilflosigkeit, die ihn einerseits zur Verzweiflung treiben und | |
andererseits in Ekstase versetzen, werden Poesie: „The way they slip | |
through the slot. How they drop. That thought alone, enough to make him | |
hot.“ | |
Für Echo findet Vogel weichere, längere Erzählformen, die mit der von Hitze | |
betäubten kalifornischen Küstenlandschaft harmonieren. Vogel gelingt es in | |
beiden Fällen, das Sexuelle ohne Kitsch und ohne Scheu zu beschreiben. Vor | |
allem zeigt sie, wie zentral die Verhandlung von Grenzen und | |
Gemeinsamkeiten in diesem Zusammenhang ist. | |
Der Roman konfrontiert seine Leser*innen unweigerlich mit eigenen Lüsten | |
und Sehnsüchten. „Permission“ zwingt sie dazu, Vorurteile abzulegen und neu | |
über Sexualität nachzudenken. Auch die eigene. Hilfestellung leistet Vogel | |
dabei nicht. Sie glaubt: Begehren kann nicht erklärt werden, darf nicht | |
pathologisiert werden. Man muss sich einfach darauf einlassen. Wem das | |
nicht gelingt, dem allerdings bleibt der Mikrokosmos von Orly, Echo und | |
Piggy verschlossen. | |
16. September, 19.30 Uhr, Silent Green, Gerichtstraße 35 | |
14 Sep 2019 | |
## AUTOREN | |
Laura Sophia Jung | |
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