# taz.de -- Sun Mu im Kunstraum München: Der Grenzenlose | |
> Freiheit ist das große Thema des nordkoreanischen Künstlers Sun Mu. Auch | |
> in seiner Wahlheimat Südkorea ist die manchmal rar. | |
Bild: Sun Mu: Studentenbewegung (Ölmalerei 2018) | |
Der aus Nordkorea stammende Künstler Sun Mu, der heute in Seoul lebt, | |
präsentiert erstmals in Deutschland eine Werkschau. Die Ausstellung im | |
Kunstraum München findet im Rahmen von „Various Others“ statt, einem | |
Zusammenschluss aus Galerien, allen wichtigen Museen und | |
Kulturinstitutionen der Stadt, die internationale Künstler und | |
Partnergalerien eingeladen haben. Kuratiert und organisiert wurde die | |
Werkschau von zwei Münchner Kuratoren, dem aus Seoul stammenden Jae-Hyun | |
Yoo sowie Alexander Steig, der mehrfach Südkorea bereist hat. | |
Das große Thema von Sun Mus farbkräftigen Papierarbeiten und Ölbildern ist | |
die Freiheit, die auch er in seiner Wahlheimat Südkorea nicht immer findet. | |
Eigentlich hatte der nordkoreanische Staat für den zeichnerisch | |
talentierten Sun Mu eine Karriere als Propagandamaler vorgesehen gehabt. | |
Ende der 1990er Jahre begann eine Ausbildung zu diesem Beruf. „Ich habe | |
gelernt, meterhohe Personen in heroischen Posen zu produzieren und mit | |
militanten Slogans zu versehen“, sagt der Maler. | |
Doch das Leben führte ihn auf verschlungene Wegen in ein völlig anderes | |
Dasein. Und so wurde aus ihm, der einst an den Kommunismus nordkoreanischer | |
Prägung glaubte, ein Dissident, der seither zwei Dinge propagiert: Freiheit | |
und Frieden. | |
Seinen bürgerlichen Namen macht er nicht gerne öffentlich. Sun Mu, so hat | |
er sich selbst genannt. „Das bedeutet auf Koreanisch ‚grenzenlos‘“, sagt | |
der Mittvierziger. Obwohl Sun Mu auch die Ölmalerei beherrscht und nutzt, | |
sind farbkräftige Tonpapiercollagen sein stärkstes Ausdrucksmittel. Mit | |
ihren klaren Umrissen erinnern sie an Pop-Art – und eben an: Propaganda. | |
Su Mu nutzt die formalen Mittel und Techniken, die er einst erlernt gelernt | |
hat, um seinen eigenen Wunsch zu vermitteln: ein vereintes Korea mit | |
angstfreien Menschen. Viele seiner Arbeiten zeigen Grenzüberschreitungen, | |
etwa Kraniche, die ungehindert von Süd nach Nord fliegen. Auf einem Bild | |
ist er selbst zu sehen, Gitarre spielend auf einem Stacheldraht schaukelnd. | |
Für nordkoreanische Verhältnisse bereits ein lebensgefährlicher Tabubruch. | |
Zum politisch Andersdenkenden wurde Sun Mu jedoch erst nach seiner Flucht | |
aus Nordkorea nach China, in die benachbarte Provinz Yanbian, wohin er | |
nicht als politischer Flüchtling, sondern als illegaler Arbeitsmigrant | |
gegangen war. Eine zauberhafte Papierarbeit, eine blaue Nachtszene, erzählt | |
von dieser Flucht. Sie zeigt Sun Mu, wie er heimlich einen Grenzfluss | |
durchschwimmt. In China angekommen, überlebte der junge Mann rund drei | |
Jahre mit Schwarzarbeit, entrindete Bäume und erntete Tabak – und hörte | |
dabei immer wieder, wie frei und unverblümt die Chinesen ihre Politiker | |
kritisierten. | |
„Ich hatte mir gar nicht vorstellen können, dass jemand so etwas wagt“, | |
sagt er. „Das hat in mir alles umgeworfen.“ Dieses Tor zur Gedankenfreiheit | |
wieder zu verschließen – unmöglich. „Ebenso wenig wollte ich in China ewig | |
der illegale Migrant zu bleiben“, sagt er. Also schlug sich Sun Mu Anfang | |
der nuller Jahre zunächst weiter in China durch, zog weiter über Laos und | |
Thailand, um schließlich als Asylsuchender nach Südkorea zu kommen. | |
In seiner Auseinandersetzung mit der Freiheit lässt sich der Künstler nicht | |
auf die einfache Zuordnung von „der Süden ist gut, der Norden ist böse“ | |
ein, [1][sondern blickt auch kritisch auf Südkorea.] Dessen Gesellschaft | |
ist zwar demokratisch organisiert, aber keinesfalls frei von Ideologien, | |
vor allem nicht von Konsum- und Schönheitswahn. Sun Mu schockiert die | |
Bereitschaft der südkoreanischen Jugend, sich dem Diktat eines westlichen | |
Schönheitsideal zu unterwerfen, und dem mit Gesichtsoperationen | |
nahezukommen. Diese Uniformierung, die kannte er schon aus Nordkorea. | |
Außerdem bietet Südkorea mit seiner unaufgearbeiteten Geschichte der | |
jahrelangen gewaltsamen Unterdrückung der politischen Oppositionsbewegungen | |
ebenfalls Material für kritische Kunst. Auch spießt Sun Mu manche bauliche | |
Parallelität zwischen Nord und Süd auf. „Als ich in Seoul ankam, staunte | |
ich über die überdimensionalen Kreuze, die hier von evangelikalen | |
Christengemeinden aufgestellt werden“, beschreibt er. „Sie erinnerten mich | |
an die Feuerstelen mit kommunistischen Botschaften in Nordkorea.“ Die | |
frappierende Ähnlichkeit dieser beiden Symbole betonen zwei Collagen, die | |
nebeneinander gehängt sind. | |
## Vom Betrachter eine aktive Rolle gefordert | |
Sun Mu ist ein schneller Arbeiter. Mit der Schere „zeichnet“ er seine | |
Figuren und Formen direkt „in die Farbe“ oder reißt das Papier mit den | |
Händen in die gewünschte Form. Dabei nutzt er sowohl Positivformen als auch | |
Negativformen, also zum einen die ausgeschnittenen Figuren, zum anderen | |
deren Papierreste. Auf andersfarbiges Papier aufgeklebt, lassen die Reste | |
wiederum Gestalten hervortreten. So findet zwischen Grund und Figur ein | |
ständiger Austausch statt. Vom Betrachter fordert er dabei eine aktive | |
Rolle ein, denn dessen Blick springt zwischen Vorder- und Hintergrund hin | |
und her. | |
Viele Arbeiten Sun Mus haben etwas Märchenhaftes, das die Sehnsucht, die | |
der Künstler in sich trägt, schützend umhüllt. Denn der „Grenzenlose“ i… | |
auch ein Heimatloser, der seine Herkunftsfamilie verloren hat. In einer | |
Collage zeigt er sich selbst, wie er und seine alte Mutter zueinander | |
laufen, auf einer Wolke, die sich vor einen Vollmond schiebt. Nur noch zwei | |
Schritte, und die beiden werden sich umarmen, meint man. So poetisch diese | |
Arbeit ist, gerade das Unwirkliche in ihr betont auch das Unrealistische. | |
Denn ob sich Mutter und Sohn, die sich seit rund 20 Jahren nicht mehr | |
gesehen haben, je wieder begegnen dürfen, liegt in den Händen von | |
Diktatoren. | |
22 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Margarete Moulin | |
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