| # taz.de -- Kleine Schritte aus der Lücke | |
| > Noch immer verdienen angestellte Frauen weniger als Männer: Das | |
| > Gender-Pay-Gap ist im Industriestandort Bremen größer als im | |
| > Bundesdurchschnitt. Jetzt bringt eine Diskussion alle Seiten an einen | |
| > Tisch, um über ein Zukunftsmodell zu beraten | |
| Bild: Frauen bekommen die Damenportion – Lohngefälle in der Küche | |
| VonElisabeth Nöfer | |
| Das Problem drängt, besonders in Bremen: Frauen werden schlechter entlohnt | |
| als Männer. Mindestens treffen jetzt diejenigen aufeinander, die vereint | |
| etwas dagegen unternehmen könnten: Nach wissenschaftlichem Input von der | |
| Göttinger Soziologie-Professorin Nicole Mayer-Ahuja beraten über die | |
| Beseitigung des Gender-Pay-Gaps am Montag in der Handwerkskammer nicht nur | |
| die Landesfrauenbeauftragte Bettina Wilhelm, DGB-Chefin Annette Düring und | |
| die Geschäftsführerin der Arbeitnehmerkammer, Elke Heyduck. Auch die | |
| ArbeitgeberInnenseite ist mit Handelskammer-Präses Janina | |
| Marahrens-Hashagen vertreten, die Verwaltung durch Bildungssenatorin | |
| Claudia Bogedan. Und für die Arbeitsagentur sitzt Armin Zubrägel mit auf | |
| dem Podium. | |
| Bei 22 Prozent liegt die Lohnlücke in Bremen. Das geht aus Zahlen des | |
| Statistischen Bundesamtes von 2018 hervor. Damit ist das Gender-Pay-Gap, | |
| das den Unterschied des durchschnittlichen Brutto-Stundenverdienst misst, | |
| um einen Prozentpunkt breiter als im Bundesdurchschnitt. | |
| Sechs Prozent dieser Lohnungleichheit sind auf direkte Diskriminierung | |
| zurückzuführen, die sogenannte „bereinigte“ Lohnlücke. Die restlichen 16 | |
| Prozent gehen auf strukturelle Ungleichheit wie feste Rollenbilder zurück: | |
| In Bremen finden sich die gut bezahlten Jobs in der Industrie, die | |
| überwiegend von Männern besetzt werden, heißt es in einem aktuellen Bericht | |
| der Arbeitnehmerkammer Bremen. Dem steht ein hoher Anteil an Frauen in der | |
| gering entlohnten Pflege oder im Einzelhandel gegenüber. | |
| „Wir müssen im Dienstleistungsbereich bessere Tarife bezahlen“, fordert | |
| deshalb die Geschäftsführerin des Deutschen Gewerkschaftsbunds in Bremen | |
| (DGB), Annette Düring. Sie wünscht sich mehr Anerkennung für Pflegerinnen | |
| und Verkäuferinnen. Noch werden solche Tätigkeiten gering bezahlt, die | |
| Frauen zuhause sogar unbezahlt erledigen. Die Ungleichheit im Beruf hat | |
| viel mit der Ungleichheit im Privaten zu tun. Frauen arbeiten oft in | |
| Teilzeit und in Minijobs, um neben der Lohnarbeit die Sorgearbeit rund um | |
| Haushalt, Kinder und Familienangehörige zu schultern. Höher bezahlte | |
| Führungspositionen sind meist nur in Vollzeit zu haben. Deshalb steigen die | |
| Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen im Alter der Familiengründung | |
| abrupt an. „In stark von Altindustrie geprägten Regionen ist die | |
| partnerschaftliche Aufteilung schwach“, sagt Thomas Schwarzer, Referent für | |
| Sozialpolitik bei der Arbeitnehmerkammer. | |
| Dass sich traditionelle Rollenbilder nur langsam ändern, bestätigt die | |
| Soziologin Ruth Abramowski von der Uni Bremen. Zu Routinetätigkeiten im | |
| Haushalt befragte Familien äußerten sich zwar aufgeschlossen. In der Praxis | |
| zeige sich allerdings eine „relativ starke Verhaltensstarre“: „Männer | |
| tendieren dazu, Tätigkeiten zu übernehmen, die öffentlich sichtbar sind, | |
| etwa mit den Kindern zum Spielplatz zu gehen.“ | |
| In Deutschland leisten Frauen täglich 87 Minuten mehr unbezahlte | |
| Haushaltsarbeit als Männer, zeigt der Zweite Gleichstellungsbericht der | |
| Bundesregierung. Durch die Verlängerung des Elterngelds bei geteilter | |
| Elternzeit sollen Väter dazu bewegt werden, zeitweise die Sorgearbeit zu | |
| übernehmen. Immerhin 28 Prozent der Bremer Väter würden aktuell ihre | |
| Erwerbstätigkeit für die Kinder unterbrechen, sagt Schwarzer. In | |
| ostdeutschen Städten wie Dresden sind es allerdings schon über 50 Prozent. | |
| „Männer machen kleine Schritte in die Familienarbeit, Frauen machen große | |
| Schritte in die Erwerbsarbeit“, fasst Schwarzer zusammen. Müttern hilft | |
| dabei der Anspruch auf einen Krippenplatz und das im letzten Jahr von der | |
| SPD durchgesetzte Rückkehrrecht von einer Teilzeit- in eine Vollzeitstelle, | |
| das in Betrieben mit über 45 Angestellten gilt. | |
| Feste Tarifverträge, wie sie im öffentlichen Dienst oder den Bremer | |
| Wohlfahrtsverbänden verhandelt wurden, können Teilzeitbeschäftigte – viele | |
| davon Frauen – vor Lohndiskriminierung schützen, so der Bericht der | |
| Arbeitnehmerkammer. Düring gehen all diese Maßnahmen nicht weit genug. „Wir | |
| müssen diskutieren, wie wir in Zukunft Sorgearbeit bezahlen.“ | |
| 13 Sep 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Elisabeth Nöfer | |
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