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# taz.de -- Schutz – vor den Juden
> Das erste deutsche Tierschutzgesetz erließen die Nazis: Das junge Regime
> verstand es, Tierliebe zu instrumentalisieren
Von Alexander Diehl
Was niemand mitbekam, brauchte auch nicht geregelt zu werden: Im 1872 in
Kraft getretenen [1][Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich] war von Strafe
bedroht, wer „öffentlich oder in Ärgernis erregender Weise Tiere boshaft
quält oder misshandelt“ (Paragraf 360, Nr. 13). Der Aspekt der
Öffentlichkeit war entscheidend bei diesem als „Übertretung“ eingestuften
Delikt: Der Gesetzgeber mag beansprucht haben, die Tiere zu schützen, aber
vor allem doch die Menschen, insbesondere Frauen und Kinder – vor allzu
grausamen Eindrücken.
Diese anthropozentrische Rechtsauffassung galt bis 1933. Als eine der
ersten Amtshandlungen machte sich das neue, nationalsozialistische Regime
daran, ein demgegenüber pathozentrisch zu nennendes Recht zu schaffen, also
eins, das behauptet, das Leid selbst in den Blick zu nehmen. Am 1. April
1933 begann im Reichsinnenmisterium – intensiv begleitet übrigens von
allerlei Tierschutzverbänden – die Arbeit. Ende Mai erhielt erst mal das
Strafgesetzbuch einen zusätzlichen Paragrafen 145b: Der stufte das rohe
Misshandeln sowie das absichtliche Quälen von Tieren als Vergehen ein, zu
ahnden mit bis zu 150 Reichsmark Geld- oder gleich einer Haftstrafe.
Im November desselben Jahres dann erhielt Deutschland sein erstes
Tierschutzgesetz überhaupt – eine Maßnahme, die von Gespür zeugt fürs Vol…
Dessen „überwältigende Mehrheit“ nämlich, so behauptete es die Präambel
jenes Gesetzes, „hat schon lange das Töten ohne Betäubung verurteilt, eine
Praxis, die unter Juden allgemein verbreitet ist“. Der Fairness halber:
Auch Tierversuche für die Wissenschaft regelte das neue Gesetz – gerichtet
freilich gegen eine als „jüdisch“ verunglimpfte Wissenschaft. Und das im
Gesetz verfasste Verbot, wilde Tiere zu dressieren? Ein Hebel insbesondere
gegen Sinti und Roma und ihre „fahrenden Tierschauen“.
Noch eine Premiere: Die Androhung von Lagerhaft für „Tierquäler“, so
geäußert von Hermann Göring im August 1933 in einer Radioansprache, dürfte
die erste Erwähnung von Konzentrationslagern gewesen sein.
Das Gesetz – seinen Schöpfern zufolge ein „Ruhmesblatt in der Geschichte
der menschlichen Kultur“ und „für die ganze Welt vorbildlich“ – wurde …
dieser durchaus bemerkt: In den Vereinigten Staaten erhält Adolf Hitler
Auszeichnungen von Tierschützern. Auch andernorts zollten selbst politische
Gegner dem Regime Respekt. Und der juristische, ja: ethische „Meilenstein“
blieb lange gültig: Erst 1972 legte sich die Bundesrepublik ein neues
Tierschutzgesetz zu.
31 Aug 2019
## LINKS
[1] https://lexetius.com/leges/StGB/Inhalt
## AUTOREN
Alexander Diehl
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