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# taz.de -- Anmerkungen von Alexander Diehl: Mein Freund der Baum
Das stinkt, ganz klar. Vom Schreibtisch aus – am Ende noch einem aus
Echtholz? – denen Ratschläge erteilen, die sich die Hände schmutzig machen;
auf der Straße, ja: an der Front? Das wäre ja, als versuchten wir der
Antifa nachzuweisen, dass es am zu bekämpfenden Faschismus mangelt.
(Zugegeben: Ziemlich genau das ist schon geschehen in dieser Zeitung.)
Zurück auf die umkämpften Wipfel von Wilhelmsburg: Es ist weiß Gott nicht
das erste Mal, dass im anhaltend wachsenden Hamburg der Wunsch, wohnen zu
dürfen, sich reibt an dem Ruf nach Grün-Erhalt, trotz aller
Nachverdichtung. Auch hat die Stadt, die sich so gerne mit dem, äh, Glamour
von Kreuzfahrtschiffen umgibt, nicht den geringsten Anlass sich
zurückzulehnen in Sachen Luftqualität.
Dass gefährdete Bäume wiederum ein prima Symbol abgeben, einen wunderbar
klar umrissenen Gegenstand, für dessen Erhalt zu streiten sich lohnen
könnte, das lehrt uns der Hambacher Forst. Aber auch in Hamburg setzten vor
bald zehn Jahren die Bäume in einer Altonaer Grünfläche so viel Emotion
frei, brachten so viel Widerspruch ins Rollen, dass der Stromriese
Vattenfall am Ende eine Fernwärmetrasse neu plante.
So weit, so nachvollziehbar, was die Protestierenden fordern. Aber: Auf
jeden einzelnen Baum – und so soll es ja gerufen worden sein von den
besetzten Kronen herab – kommt es trotzdem nicht an. Dafür ist „die Umwelt…
ein allzu kompliziertes Ding. Wenn, sagen wir: die ganz große Wetterlage,
das Klima also, auf den Kopf stellt, was „typisch“ ist in einer Region –
was ist dann zu gewinnen, indem man ein paar obsolet gewordene Exemplare
möglichst lange päppelt?
„Auch wenn wir keines Holzes mehr bedürften, würden wir doch noch den Wald
brauchen“, schrieb 1854 der Doyen der deutschen Volkskunde, Wilhelm
Heinrich Riehl. Denn: „Das deutsche Volk bedarf des Waldes wie der Mensch
des Weines.“ Und mancher bis heute anerkannte Großdenker unterschied einst
bereitwillig zwischen deutschem Wald- und „jüdischem Wüstenvolk“.
Sind es nun also Deutschtümelnde, die in Hamburg jene Bäume verteidigen?
Stehen ihre Sneaker in den Knobelbecherspuren der Nazis? Nö. Aber auch das
mit der Geschichte ist kompliziert.
10 Sep 2019
## AUTOREN
Alexander Diehl
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