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# taz.de -- Eine falsche Vertrautheit
> Eine Diskussion bei den deutsch-israelischen Literaturtagen drehte sich
> um Sprache und Populismus
Von Annina Bachmeier
Sie gehört genuin zum Populismus dazu: Die Behauptung, man spreche die
gleiche Sprache wie das Volk oder wie der einfache Mann und die einfache
Frau von der Straße – was auch immer das konkret sein soll. Um jenen
Versuch des Gemeinmachens mit dem Volk und der Aneignung von Alltagssprache
durch populistische Politiker ging es am Mittwochabend auch bei der
Auftaktveranstaltung zu den deutsch-israelischen Literaturtagen im
Deutschen Theater.
Unter dem Motto „Lauter, immer lauter?“ sprachen der israelische
Schriftsteller Sami Berdugo und die britisch-indische Schriftstellerin
Priya Basil mit Moderatorin Shelly Kupferberg über das Erstarken der
Rechtspopulisten in Europa und Israel.
Sami Berdugo, der als Sohn marokkanischer Einwanderer in Israel geboren
wurde, beschreibt den Grund für das Erstarken der Rechten im Gespräch vor
allem mit einem „Sprachbündnis“, welches die Populisten mit der
Gesellschaft eingehen würden, um eine Art falsche Vertrautheit
herzustellen. Man solle sich nicht auf die gleiche sprachliche Ebene
begeben, nicht versuchen zu übertönen, also nicht „lauter, immer lauter“ …
sein, rät Berdugo. Stattdessen schlägt er vor, die Populisten über eine
andere nuanciertere Sprache auszuklammern. Für ihn selbst sei das Schreiben
das beste Mittel gegen die Populisten und die Zerrissenheit Israels in
verschiedenste Gruppierungen: „Durch das Schaffen von literarischen
Figuren, denen ich eine unabhängige Stimme geben kann, kann ich ohne
direkte Konfrontation ein subtiles Gegengewicht erschaffen“, so Berdugo.
Der Vorschlag, nicht auf einen direkten Streit mit den Populisten
einzugehen, scheint einleuchtend, allerdings ist die Frage, ob die Sprache
der Intellektuellen und Schriftsteller, die Berdugo als Gegenmittel gegen
die Populisten rät, nicht eher ein Ausschlussmechanismus ist, schließlich
gibt es einen Grund, warum die Populisten mit der Aneignung von
Alltagssprache so erfolgreich sind.
## Besser: Englisch
Für Priya Basil erzeugt der Zusammenhang von Sprache und Rechtspopulismus
eine neue Sensibilisierung in ihrem eigenen Sprachgebrauch, im Lesen und
Schreiben. „In Zeiten, in denen die Sprache so vergiftet ist, ist Literatur
für mich ein Rückzugsort, in dem ich den Worten wieder eine eigene
Bedeutung geben kann.“ erzählt sie. In ihrem aktuellen Roman
„Gastfreundschaft“ hinterfragt Basil die Selbstverständlichkeit und das
Privileg der Bewegungsfreiheit, das Menschen mit EU-Staatbürgerschaft in
europäischen Ländern haben, welches heute durch das Nationaldenken der
Rechtspopulisten bedroht ist. Anders als Berdugo sieht Basil nicht nur die
Sprachbündnisse und das Sich-zu-Eigen-Machen der Alltagssprache als Grund
für den Erfolg der Rechtspopulisten, sondern auch die sozialen Medien als
Kommunikationsmittel, die es erleichtern, jemanden zu finden, der die
eigene Meinung teilt, wodurch sich Diskurse aufblähen und manchmal größer
scheinen, als sie eigentlich sind.
Rückblickend wurde im Deutschen Theater nicht all zu viel neues über den
Rechtspopulismus gesagt, was auch daran gelegen haben mag, das Berdugo
Hebräisch mit Simultanübersetzung, während Basil und Kupferberg Deutsch
gesprochen haben. Es schien, als hätte sich dadurch keine wirklich
fruchtbare Diskussion zwischen Berdugo und Basil ergeben. Vielleicht wäre
mit Englisch als gemeinsamer Sprache mehr entstanden.
6 Sep 2019
## AUTOREN
Annina Bachmeier
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