# taz.de -- das ding, das kommt: Gnadenlos pragmatisch | |
Bild: Das Politiker-Buch, von noch Amtierenden der Zunft geschrieben, hat immer… | |
Die programmatisch entkernten Volksparteien verlieren an Zuspruch, | |
Politiker werden massiv angefeindet, Medien als einseitig gescholten. | |
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda beunruhigt diese Erosion der | |
Demokratie: Eine zornige, aufgewühlte Gesellschaft, die nur noch | |
polarisierend reflektiert und kommuniziert, zerstört den eigenen | |
Zusammenhalt, so lautet die Kernthese seines nun in Buchform | |
veröffentlichten Essays „Die Zerstörung“ (Hoffmann und Campe 2019, 176 S., | |
18 Euro): Die sozialen Medien wirkten wie mächtige Gefühlsmaschinen, die | |
Aufregungen und Zuspitzungen produzieren. Was aber ist gewonnen, wenn alle | |
sprechen, und keiner mehr zuhört? | |
Die Fähigkeit zum öffentlichen Gespräch sei eine Essenz der Demokratie, so | |
Brosda, denn sie schaffe soziale Beziehungen wechselseitiger Anerkennung: | |
„Die öffentliche Debatte wirkt oftmals ängstlich und verzagt, der | |
politische Diskurs jenseits der Zuspitzungen der Neuen Rechten und der | |
Klimaschützer merkwürdig gelähmt.“ | |
Den grassierenden Bekenntnis-Drang, den „Zwang zur Kontroverse“ hält Brosda | |
für fatal. Populismus von rechts und Kulturalismus von links erwiesen sich | |
als gleichermaßen antipluralistisch. Der Furor radikaler Positionen | |
untergrabe die Legitimation und Akzeptanz demokratisch repräsentativer | |
Politik. Der Sinn für das Ganze werde zermahlen zwischen verführerischen | |
Identifikationsangeboten. | |
Brosda empfiehlt seiner Partei, der SPD, die Losung: Politisches Gestalten | |
ist möglich. Dazu gehöre die Bereitschaft zum Diskurs, das Aushandeln von | |
Kompromissen, eine hohe Verständigungsbereitschaft. Vor allem ginge es | |
darum, Komplexität auszuhalten. Weil demokratische Politik auch die | |
negativen Konsequenzen von Entscheidungen vermitteln müsse. Der | |
„Moralisierung des Eigenen“ setzt Hamburgs Kultursenator „die prozedurale | |
Vernunft unserer Demokratie“ entgegen. Sein Credo: Zuhören ist | |
Bürgerpflicht. Und Streit schafft Zusammenhalt. | |
Gnadenlos pragmatisch, „aus der Politik heraus“ argumentiert Brosda in | |
seinem Essay. Wir erinnern uns: Einst hatte die SPD große, wirksame | |
Intellektuelle: Hilmar Hoffmann mit seinem Konzept „Kultur für alle“, der | |
bildungs- und wissenschaftspolitische Vordenker Peter Glotz. Brosda hat | |
sich auf den Weg gemacht: Im Frühjahr 2020 erscheint das nächste Buch des | |
Kulturpolitikers und Publizisten. „Die Kunst der Demokratie“ wird bestimmt | |
davon handeln, wie die Wiederbelebung unterscheidbarer, inhaltlich | |
profilierter Volksparteien gelingen könnte – und wofür die Sozialdemokratie | |
im 21. Jahrhundert steht. Frauke Hamann | |
31 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Frauke Hamann | |
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