# taz.de -- Rainer Schäfer Radikale Weine: Schwäbische Sorgfalt, französisch… | |
Trollinger, Riesling, Spätburgunder oder Lemberger: Im schwäbischen | |
Remstal, das sich östlich von Stuttgart erstreckt, hält man normalerweise | |
an dem fest, was man kennt, und das gilt auch für viele der Winzer dort, | |
die auf bekannte Reben vertrauen. Jens Zimmerle tanzt da aus der Reihe. Er | |
schätzt zwar die einheimischen Reben, ist aber jederzeit offen für | |
Neuerungen. | |
Zimmerle, 1980 geboren, fällt ohnehin aus dem Schema des typischen | |
schwäbischen Winzers. Zwar wuchs er auf dem elterlichen Weingut in Korb | |
auf, wollte aber eine Zeitlang lieber Musiker als Winzer werden. | |
„Zupfinstrumente“ habe er gespielt, erzählt Zimmerle, und als DJ im | |
Stuttgarter Raum gearbeitet, unter anderem im „Barcode“ aufgelegt – hier | |
lernte er auch seine heutige Frau Yvette kennen, mit der er seit 2014 das | |
Weingut der Eltern führt und die Weinberge nach biologischen Richtlinien | |
bearbeitet. | |
Gegen die Musik und für den Wein hatte sich Zimmerle schon früher | |
entschieden. Seitdem orientierte er sich an Frankreich – er hatte unter | |
anderem in Bordeaux für die Weingüter von Stephan Graf von Neipperg ein | |
Auslandspraktikum absolviert. Er sei überzeugter Schwabe, versichert | |
Zimmerle, aber denke und lebe auch „frankophil“. | |
Schon 2008 pflanzte er in Korb Viognier, eine Rebsorte, die vor allem an | |
der Rhone angebaut wird und dort kräftige und häufig alkoholreiche Weine | |
liefert. „Das war ein Abenteuer“, sagt Zimmerle. „Wir hatten hier im | |
Remstal überhaupt keine Referenzpunkte.“ | |
Um zu viel Volumen und Muskeln in den Weinen zu vermeiden, wählte Zimmerle | |
weitsichtig Parzellen im Korber Berg, die auf beinahe 400 Meter liegen und | |
nach Westen ausgerichtet sind. Kühle Nächte im Herbst sorgen für eine | |
langsame Reifung der Trauben und erhalten die Frische. Der Schilfsandstein | |
der Lage sorge zudem für Feingliedrigkeit. | |
Seinen ersten reinsortigen Viognier baute Zimmerle 2013 aus, vorher hatte | |
er als Cuvée-Partner für andere Rebsorten gedient. Der Debüt-Wein habe | |
gleich wie eine Bombe eingeschlagen, erzählt Zimmerle stolz. „Viognier und | |
der Korber Berg passen perfekt zusammen“, weiß er inzwischen. | |
Den Viognier aus dem Jahrgang 2018 ließ er nach einer 24-stündigen | |
Maischestandzeit spontan mit natürlichen Hefen vergären. Danach baute | |
Zimmerle ihn in gebrauchten 300-Liter-Holzfässern aus. Der Wein riecht nach | |
reifer Aprikose, Pampelmuse und Orange. Er ist athletisch und bündig | |
gebaut, zeigt Kraft, Schmelz und Charme. Es ist ein Viognier, bei dem | |
schwäbische Sorgfalt auf französischen Esprit trifft. | |
10 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Rainer Schäfer | |
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