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# taz.de -- Vasen aus Ton, Bänke aus Marmor
> Beim Rundgang in der Universität der Künste wird Materialität zelebriert
> und politischer Aktivismus praktiziert. Immer wieder ist dabei auch die
> Mietenkrise Thema
Bild: Szene vom aktuellen UdK-Rundgang am Wochenende
Von Donna Schons
Auf Messen, in jungen, hippen Galerien und jetzt auch beim Rundgang der
Universität der Künste: überall nur noch diese bunten, lustig und
absichtlich ein bisschen schief aussehenden Keramiken. Am herrschaftlichen
Campus der bildenden Kunst-Fakultät begegnen mir eine Keramikvase mit
Penissen und eine Keramikvase mit Brüsten, und beide stammen von
unterschiedlichen Künstler*innen. Auch Mahdad Mohammadalizadeh arbeitet mit
Ton, allerdings lässt er seine kleinen Skulpturen ungebrannt. Für seine
Abschlussarbeit „Clayground“ hat er sich einen Spielteppich aus Lehm
gebaut, auf dem er mit seinen Händen Türme und Wellen formt und Löcher
gräbt, indem er schwankend seine Fersen in den Boden presst. Ihm
zuzuschauen macht die Omnipräsenz der Keramik etwas verständlicher: das
Formen mit den Händen, die direkte Responsivität des Materials, all das hat
eine luzide und beinahe therapeutische Wirkkraft. Ein paar Räume weiter
arbeitet sich eine weitere Künstlerin an Lehm ab: Am Abend des Sommerfestes
steckt Finja Sander ihren Kopf und ihre Arme in einen massiven Block, zum
Ende des Rundgangs hin liegt sie mit einer riesigen Kugel auf dem Körper
inmitten einer niedrigen selbst erbauten Mauer.
Neben Ton ist Berlins prekäre Wohnungsmarktsituation ebenfalls Thema
vieler Kunstwerke. Maximilian Fallmeier zeigt ein semitransparentes Banner,
bedruckt mit einem Foto, wie es einem im Stadtraum ständig von Plakatwänden
und Bauzäunen entgegengrinst: lange Holztafel im Grünen, Lichterketten,
Millennials. Es liegt mit Graffiti-Tags übersät zusammengeknüllt auf dem
Atelierboden. Auch Nikolas Benjamin Brummer setzt sich mit der Bildwelt der
Gentrifizierung auseinander. Er hat auf Baustellen-Schattiernetze gedruckte
Gebäude-Renderings abfotografiert und sich dabei auf die Personen
konzentriert, die vor aktuell noch virtuellen Bürogebäuden und
Luxuswohnhäusern positioniert wurden. Beinahe pointilistisch wirken die
Bilder von einem schemenhaften Anzugträger und einer Gruppe von Personen,
deren Zentrum eine Dame mit Rollkoffer und Bleistiftrock bildet. Die stark
vergrößerten Bildausschnitte, die Brummer großformatig ausgedruckt und mit
Ösen an der Wand befestigt hat, werden aufgrund der Netzmaschen in
regelmäßigen Abständen von Punkten unterbrochen, die in weiter Tiefe die
Konturen des Baugrunds erahnbar machen.
Brummers Arbeit ist Teil der Ausstellung der Josephine Pryde-Klasse. Hier
präsentieren die Studierenden Fotografien zum Thema Heimat entlang der
Außenwand ihres Ateliers. Vincent Hulme hat sie teilweise mit
WG-gesucht-Nachrichten tapeziert, in denen Bewerber*innen um ein Zimmer
buhlen. Über jeder von ihnen ist die Gesamtzahl der Nachrichten im Postfach
zu lesen: 2.101. Einen Talk zum Mietenwahnsinn gibt es ebenfalls, und
passend findet er inmitten eines Baugerüsts statt.
Die Klasse Monica Bonvicini hat sich mit den Architekturstudent*innen
von Florian Riegler zusammengetan, um gemeinsam darüber nachzudenken, wie
die architektonischen Gegebenheiten von Ateliers den künstlerischen
Arbeitsprozess beeinflussen und wie mit ihnen gespielt werden kann.
Präsentiert werden die Ergebnisse gemeinsam mit weiteren Kunstwerken auf
einem mehrstöckigen, großflächigen Baugerüst, das sich durch einen massiven
Kettenvorhang betreten lässt. Hier stellen die Gründerinnen der Kollektive
DaWoEdekaMaWa, Kunstblock und Beyond ihre Projekte vor. Das von zwei
ehemaligen Bovicini-Studentinnen gegründete DaWoEdekaMaWa wehrte sich mit
einem mittlerweile abgerissenen Stadtgarten und einer noch immer stehenden
Betonwand gegen die Mikroapartments zu Maxipreisen, die in der
Braunschweiger Straße in Neukölln entstehen sollen. Die Betonbank auf der
riesigen Brachfläche orientiert sich mit ihrer abgerundeten Ecke an der
Form der Edeka-Filiale, die hier einst stand.
Kunstblock und Beyond konzentrieren sich vor allem auf das Phänomen des
Artwashing durch künstlerische Zwischennutzung. Es geht vor allem um das
Unternehmen Pandion, das im mittlerweile abgerissenen Gebäude „The House“
an der Nürnberger Straße Street Art zeigte und in dessen neuem
Ausstellungsraum „The Shelf“ am Moritzplatz unter anderem Veranstaltungen
und Ausstellungen der Kunstwerke, des Berlin Art Prize und des
Design-Studiengangs der UdK stattfanden.
Das Kollektiv betrachtet das temporäre Zur-Verfügung-Stellen von zum Abriss
bestimmten Räumen als eine Instrumentalisierung von Künstler*innen. Dadurch
können die Bauunternehmen mit wenig Aufwand ihr Image aufbessern, und es
verteilt einen Fragenkatalog, mit dem sich Kunstschaffende
auseinandersetzen sollten, bevor sie einer Zwischennutzungsausstellung
zustimmen.
Die immerwährende Verstricktheit von Kunst und Kapital kommt durch die
Mietenkrise deutlich zum Vorschein. Schön, dass man dieser Tatsache an der
UdK nicht mit Resignation begegnet.
16 Jul 2019
## AUTOREN
Donna Schons
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