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# taz.de -- Rainer Schäfer Radikale Weine: Bloß keinMickymaus-Wein!
Die Tonamphore neben dem Eingang des Weinguts im fränkischen Nordheim lässt
erahnen, dass hier einer der experimentierfreudigsten Winzer des Landes zu
Hause ist. Einer der wenigen, der Weine im Qvevri ausbaut, einem
georgischen Tongefäß.
Er sei schwer beeindruckt von Georgien, wo seit über 7.000 Jahren Wein
erzeugt wird, sagt Manfred Rothe. Eine „Volkskunst“ sei das dort: „Als die
Wein gemacht haben, waren weite Teile Europas noch unbesiedelt.“ In seinem
Keller hat Rothe zwei Qvevri eingegraben, die je 1.200 Liter fassen. Neun
Monate lässt er die Trauben samt Stielen darin gären. Die Amphoren werden
während dieser Zeit nicht geöffnet, Rothe hat keine Möglichkeit mehr
einzugreifen.
Es ist ein so archaischer wie anarchischer Prozess der Weinwerdung, deren
Resultat Rothe mit Bungee-Jumping vergleicht – die Adrenalinausschüttung
beim Öffnen der Gefäße sei garantiert. Keine 1.000 Flaschen füllt er von
seinem erstaunlichen Naturwein ab, der nach Schwarztee und Wermutkraut
riecht und am Gaumen kraftvolle Gerbstoffe und eine packende Dichte
entwickelt.
Er suche immer „nach dem Ursprünglichen im guten Handwerk“, sagt Rothe, der
auch mit beinahe 62 Jahren die Haare lang und zum Zopf gebunden trägt.
Bevor er 1980 seine ersten Weine erzeugte, hatte er sich schon als
Restaurator, Möbelschreiner und Koch versucht. Schon bei der
Betriebsübernahme entschied er sich für einen rein ökologischen Anbau,
heute ist Rothe einer der ersten und erfahrensten Ökowinzer Frankens.
„Gutes kann nur im Einklang mit der Natur wachsen“, sagt Rothe. Belanglose
und schnelllebige „Spaß- und Mickymaus-Weine“ lehnt er ab. Rothe will
Geschmäcker kreieren, die irritieren und provozieren, die „dem Weintrinker
abverlangen, dass er sich von Konventionen freimacht“.
Rothe lässt bei seinen Weißweinen die Beerenschalen, Traubenkerne und
Stiele der Trauben mitvergären. Dadurch werden orange Farbtöne und vor
allem Gerbstoffe extrahiert – ein Verfahren, das gewöhnlich Rotweinen
vorbehalten ist. Für manchen Weintrinker sind diese „Orange Wines“ eine
Zumutung, für manchen eine Offenbarung.
Für seinen Silvaner Indigenius verwendet Rothe kein Tongefäß, er baut ihn
nach der Maischegärung in Fässern aus Spessart-Eiche aus. Der Wein riecht
nach Quitte, Aprikose und Wildkräutern; im Mund verknüpfen sich Phenole und
Tannine zu einem dichten und eigenwilligen Silvaner, der bestens zur cucina
naturale passt und sich lange entwickeln kann. Er strebe „Entschleunigung“
an, sagt Manfred Rothe: „Wein und Menschen sollte man die Freiheit lassen,
sich selbst zu entwickeln.“
13 Jul 2019
## AUTOREN
Rainer Schäfer
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