| # taz.de -- Eine Ikone namens Pinoe | |
| > Das US-Team hat die WM spielerisch, personell und diskursiv dominiert. | |
| > Das Turnier endet mit verdienten Siegerinnen und einem neuen Superstar: | |
| > Megan Rapinoe | |
| Bild: Gleich auf vier Bildern dürfen Sie bewundern, wie Überfliegerin Megan R… | |
| Aus Lyon Alina Schwermer | |
| Ausgerechnet Megan Rapinoe. Oder auch: natürlich Megan Rapinoe. In einer | |
| Phase, als die USA an der wehrhaften niederländischen Abwehr zunehmend | |
| verzweifelten, ein ums andere Mal eher fantasielos anrannten, brachte Megan | |
| Rapinoe per berechtigtem Elfmeter das Team in Führung. Sie schoss kühl, | |
| präzise und entschied faktisch die Partie (61.). Und als diese Rapinoe | |
| wenig später ausgewechselt wurde, da sah man inmitten von tosendem Applaus | |
| sogar einige Niederländer klatschen. Megan Rapinoe ist zur Ikone geworden | |
| bei diesem Turnier, man wird sich an sie erinnern, und sicherlich mehr als | |
| an dieses Finale. Es war keines von den legendären Finals, dramatisch, | |
| umstritten oder ein offener Schlagabtausch. Sondern vor allem ein | |
| Abnutzungskampf zwischen einem Underdog und den Favoritinnen, bei dem die | |
| USA lange kein Mittel gegen die stark organisierte niederländische Abwehr | |
| fanden. Irgendwann, mit Rapinoes Treffer, war das Bollwerk gebrochen, und | |
| sie brachten die Nummer recht humorlos nach Hause. Die USA sind | |
| hochverdient Weltmeisterinnen. Und das Spiel ließ noch ein paar Schlüsse | |
| zu. | |
| Zunächst: Rapinoe. Unweigerlich fällt einem da der Name Ada Hegerberg ein. | |
| Hegerberg boykottierte die WM, um für bessere Bedingungen für den | |
| Frauenfußball zu demonstrieren. Rapinoe fuhr hin und redete vor Ort. Und es | |
| war spannend, wie irrelevant doch Hegerberg im Laufe dieser letzten Wochen | |
| wurde, und welche Wirkung Rapinoe entfaltete. „Je stärker das Rampenlicht, | |
| umso mehr leuchtet sie“, metaphorisierte Jill Ellis. „Kein Rampenlicht ist | |
| zu stark für sie.“ So war es. Und gleichzeitig wurde dieser Rapinoe-Protest | |
| doch immer bloß reduziert: Es ging wenig um ihre sozialen Forderungen, | |
| schon gar nicht wurden diese Inhalte kritisch diskutiert. Es ging um Pinoe | |
| vs Trump. Eine Marvel-Konstellation. Auch das sagt einiges über den soften, | |
| oberflächlichen Feminismus rund um die WM. Manchmal aber, lernt man also, | |
| ist eine Teilnahme effektiver als ein Boykott. Am Ende des Finals | |
| skandierten die US-Fans „Equal Pay! Equal Pay!“ Gianni Infantino, der mit | |
| diabolischem Grinsen Medaillen überreichte, schenkte dem keine Beachtung. | |
| Aber Megan Rapinoe war schon wieder angriffslustig: „Equal Pay ist klar, | |
| lass uns zum nächsten Punkt kommen“, verlangte sie. „Was kann die Fifa tun, | |
| um die Verbände, die heimischen Ligen zu unterstützen?“ Eine, die auch nach | |
| fünf Minuten als Weltmeisterin nicht ruht. | |
| Dann, zweitens, bleibt spielerisch vor allem das hängen, was nicht zu sehen | |
| war. Es war kein offenes Duell wie die vorherigen US-Spiele, es war kein | |
| wildes Hin und Her. Die Niederländerinnen hatten aus den Fehlern ihrer | |
| Vorgängerinnen gelernt. Sie stutzen ihre offensiven Talente auf kürzeste | |
| Ausflüge zusammen und verlegten sich auf kompakte Verteidigung. Vor allem | |
| damit gelang es ihnen, die Partie eine Stunde lang offen zu halten. Die | |
| USA, die ja diese etwas verfeinerte Variante des französischen | |
| Langer-Pass-Powerfußballs spielen, fanden bei solch konsequenter | |
| Defensivarbeit kaum Wege. Es war sogar erstaunlich, wie ratlos sie sich | |
| abmühten. Das Konzept hätte durchaus bis zum Ende funktionieren können, | |
| hätten die Niederländerinnen ihre Konter über die starken Lieke Martens und | |
| Lineth Beerensteyn besser ausgespielt. Beinahe wäre diese Weltmeisterschaft | |
| nach dem Schweden-Spiel also ein kolossaler Triumph für den Defensivfußball | |
| geworden. Auch mit dem 2:0-Willenssieg der USA zeigte sich: Die | |
| Verteidigungen haben sich verbessert, das Spiel mit dem Ball wird | |
| nachziehen müssen. Ob der US-Fußball, dieses technisch edle Kick-and-Rush, | |
| beim nächsten Turnier noch so funktioniert? | |
| Das Team, das diese WM dominiert hatte – spielerisch, personell, diskursiv | |
| – reckte am Ende völlig zu Recht den Pokal in die Höhe. Selbst der VAR kam | |
| ausnahmsweise sinnig zum Einsatz; kurz und effizient wies er auf den | |
| fälligen Elfmeter hin, nachdem Stefanie van der Gragt das Bein gegen Alex | |
| Morgan ein paar Meilen hoch gereckt hatte. Mit Rapinoes 1:0 waren die | |
| Niederländerinnen gezwungen, ihre Ordnung zugunsten einiger hübscher | |
| Offensivaktionen aufzugeben – nun war es das Spiel, das die USA sich | |
| ersehnt hatten. Riesige Freiflächen taten sich auf, fix sorgte Rose Lavelle | |
| über einen Konter für die 2:0-Entscheidung (69.). Die wackeren | |
| Niederländerinnen wurden von den zahlreichen Oranje-Fans trotzdem gefeiert. | |
| Und sahen, wie absehbar, gegen die USA besser aus als beim Rest-Turnier. | |
| Es war dann, zu guter Letzt, auch zum ersten Mal seit 2003 ein Finale | |
| zweier Trainerinnen. Ein Zeichen von Ausbildungsfortschritten mithin. Und | |
| eine späte Genugtuung für Jill Ellis, die sich in den USA ständiger und | |
| nicht immer informierter Kritik ausgesetzt sieht. Auf dem Platz brach sie | |
| in Tränen aus; sie ist jetzt die einzige Frau, die als Trainerin zwei | |
| WM-Titel holte. „Mir sind die Gedanken der Leute egal. Sie wissen nur ein | |
| Zehntel von dem, was wir tun.“ | |
| ## Saure Mutter | |
| Es soll auch für die USA weitergehen mit der Entwicklung jetzt, Ellis | |
| forderte wie üblich mehr Investment. Der Frauenfußball hat finanzielle | |
| Dynamik aufgenommen. Die Eigenheiten zu behalten, das wird, man kann es | |
| ahnen, ein heikler Balanceakt. Noch ist ein bisschen davon da. Auf der | |
| Pressekonferenz mit Jill Ellis klingelte plötzlich deren Handy. „Das ist | |
| wahrscheinlich meine Mutter.“ Ein kurzer Blick aufs Handy, dann bestätigte | |
| sie trocken: „Ja, sie ist es.“ Die begeisterte Mama musste dann warten. | |
| „Sie ist wahrscheinlich jetzt sauer. Sie ist Schottin.“ Das Finale war kein | |
| Spektakel, die Protagonistinnen waren es sicherlich. | |
| 9 Jul 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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