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# taz.de -- Die Wahrheit: Scooterman erlebt ein Abenteuer
> Die Geschichte eines Tages im Rollstuhl kann man auch als Abfolge sich
> ständig steigernder Heldentaten erzählen. Oder etwa nicht?
Verehrte Damen und Herren, ich hoffe, dass es Ihnen gut geht. Ihrem
Scooterman geht es nämlich geradezu grundlos gut. Als Mann mittleren
Alters, der immer noch an einer unheilbaren Multiplen Sklerose mit
progredientem Verlauf ohne klar voneinander absetzbaren Schüben leidet,
könnte er sich genauso gut mit arg mürrischem Gesicht und
übereinandergeschlagenen Beinen auf seinen Balkon setzen, um der
untergehenden Sonne schlechtgelaunte, wenn nicht gar biestige Antworten auf
ungestellte Fragen zu geben. Tut er aber nicht.
Denn eigentlich ließe sich die Geschichte seines Tages auch als Abfolge
sich ständig steigernder Heldentaten erzählen. Ist der eine oder die andere
von Ihnen geradezu neugierig geworden? Fragt man sich vielleicht sogar:
„Was ist ihm denn widerfahren, unserem Scooterman? Also, allmählich würde
ich das doch schon gern wissen. Na ja, wird schon nichts Tolles gewesen
sein. Püh.“
Wissen Sie was, meine Damen und Herren, bevor Ihr Scooterman sich jetzt am
helllichten Tag anpühen lässt, rollt er lieber an die Straße, zehn Meter
unter seinem Fenster, die sich gerade auf den mäßig starken
Feierabendverkehr vorzubereiten scheint. So jedenfalls dachte er vor etwa
einer Stunde. Und bemerkte dabei, dass er auf dem Weg dahin am besten einen
Zwischenstopp einlegen sollte. Und zwar besser gleich als nach seinem
Ausflug an die Straße.
Meine Damen und Herren, hat jemand von Ihnen schon einmal im Rollstuhl die
Toilette besucht? Glauben Sie mir, das blöde Schicksal lässt es sich nicht
nehmen, gerade dann ein Hindernis nach dem anderen aufzustellen. Gut,
eigentlich ist die Wohnung barrierefrei, und um diesen Zustand nachträglich
einbauen zu lassen, ist der eine oder andere Hunderter aus dem schmalen
Privatvermögen des Scooterman zum Einsatz gekommen.
In der Toilette aber muss der Scooterman feststellen, dass er ein Handtuch
und einen Waschlappen braucht. Deswegen muss er zunächst eine Tür zu sich
heranziehen. Natürlich fallen ihm dabei sowohl das Handtuch als auch einer
der Waschlappen zu Boden, die er zuvor mühsam aus seinem Regal
hervorgekramt hat. Und natürlich auch ein Briefumschlag, der mit der Post
kam und es sich nicht nehmen lässt, glatt und ein wenig feucht auf dem
Boden zu liegen.
Machen Sie sich nichts vor, meine Damen und Herren – einen Briefumschlag
von einem feuchten, gekachelten Boden aufzuheben, gehört zu den
anspruchsvollsten Abenteuern, die ein Leben als Schwerbehinderter zu bieten
hat. Ihr Scooterman löste es so: Er rollte neben den Umschlag. Beugte sich
dann weit nach rechts heraus, bis er die Post mit dem Mittelfinger
erreichte. Zog sie dann zu sich heran, bis er den Umschlag unter dem
rechten Rad seines Rollstuhls verkanten konnte. Dann zog er ihn zu sich
heran. Damit war der erste Teil des Abenteuers geschafft. Wie es
weiterging, erzählt Ihr Scooterman Ihnen nächstes Mal. Vielleicht.
9 Jul 2019
## AUTOREN
Knud Kohr
## TAGS
Behinderte
Menschen mit Behinderung
Helden
Leben mit Behinderung
Leben mit Behinderung
Rollstuhl
Scooterman
Schlafentzug
Multiple Sklerose
Hunde
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