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# taz.de -- Jobcenter will erziehen
> Wer unter 25 ist, dem wird Hartz IV schneller und stärker gekürzt als
> Älteren. Diese Praxis ist im Sozialgesetz so vorgesehen. Die Linke Carola
> Ensslen sieht Handlungsspielräume
Bild: Nicht immer attraktive Aussichten: junge Männer auf Jobsuche
Von Lukas Ziegler
Wenn junge Menschen in Hamburg Hartz IV beziehen und einen Termin beim
Jobcenter versäumen, werden ihnen nach wie vor deutlich schneller und
stärker die Leistungen gekürzt als Älteren. Die Linksfraktion kritisiert
diese Regelung und nimmt Hamburgs Jobcenter in die Verantwortung.
„Es ist nicht nachvollziehbar, dass junge Menschen häufiger und härter
sanktioniert werden“, sagt Carola Ensslen von der Linksfraktion. Aus einer
Kleinen Anfrage ihrer Partei geht hervor, dass in diesem Januar 3,9 Prozent
der Leistungsbezieher*innen unter 25 Jahren mit mindestens einer Sanktion
belegt waren. Über alle Altersgruppen hinweg lag die Quote nur bei 3,1
Prozent.
Die Anzahl an sanktionierten Leistungsbezieher*innen hat zwar insgesamt
abgenommen, der Anteil an Menschen unter 25 Jahren ist aber der höchste
seit 2017. Die Sanktionen sind in den vergangenen zwei Jahren auch leichter
geworden, die Differenz zwischen den Altersgruppen bleibt aber weiterhin
bestehen. So wurden auch im Januar Menschen unter 25 Jahren mit
durchschnittlich 21,5 Prozent die Leistungen deutlich stärker gekürzt, als
über alle Altersgruppen hinweg (15,1 Prozent).
Diese unterschiedliche Behandlung ist im Sozialgesetz festgeschriebenen.
Demnach ist die Vermittlungspflicht bei jungen Leistungsbezieher*innen
größer. Mit den harten Strafen erhofft sich der Gesetzgeber, den jungen
Menschen schneller Arbeitsplätze zu vermitteln und Langzeitarbeitslosigkeit
zu verhindern.
Das gelingt laut einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt und
Berufsforschung aus dem Jahre 2017 auch teilweise. Junge
Leistungsbezieher*innen, denen Sanktionen auferlegt wurden, würden sich
allerdings auch schneller wieder aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen.
Carola Ensslen sieht ebenfalls Probleme bei dieser Regelung. „Die aktuelle
Praxis ist höchst unpädagogisch, mit harten Strafen zu drohen verunsichert
die jungen Leute“, sagt die Politikerin. Es brauche einen pädagogischen
Weg, die Menschen wieder an das Arbeitsleben heranzuführen. Hierbei nimmt
Ensslen lokale Akteure in die Pflicht.
So bestehe bei der Entscheidung, ob etwas sanktionswürdig sei oder nicht,
in vielen Fällen ein Beurteilungsspielraum. Zudem könnten Jobcenter durch
das „bewusste Weglassen der Rechtsbelehrung“ Sanktionen verhindern. Das
klinge zwar etwas ungewöhnlich, werde aber in einer Weisung der Agentur für
Arbeit selbst als Möglichkeit vorgeschlagen. „Auch wenn eine
Gesetzesänderung nur auf Bundesebene möglich ist, gibt es
Handlungsspielraum, der auf Landesebene genutzt werden kann“, sagt Ensslen.
Christian Boehme, Sprecher des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Hamburg,
sieht ebenfalls Handlungsbedarf: „Der Paritätische fordert, vollständig auf
Sanktionen zu verzichten.“ Besonders junge Menschen würden dadurch weiter
in die Not bis hin zur Obdachlosigkeit getrieben. „Was es braucht, sind
spezielle Förderprogramme, die die jungen Menschen wieder an die Jobcenter
heranführen“, sagt Boehme.
Das Jobcenter Hamburg will sich mit der Begründung, es wolle keine
geltenden Gesetze bewerten, nicht konkret zu der Wirkung der Sanktionen
äußern. „Sanktionen sind überhaupt kein Schwerpunktthema bei uns, denn der
weitaus größte Anteil unserer Kundinnen und Kunden hält sich an die
Regeln“,sagt Dirk Heyden, Geschäftsführer des Hamburger Jobcenters.
11 Jun 2019
## AUTOREN
Lukas Ziegler
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