# taz.de -- Und aus den Trümmern erhebt sich – nichts | |
> Mit einem unkollegialen Solo-Vorstoß für ein Tanzhaus hat | |
> Steptext-Gründer Helge Letonja die Kulturszene verärgert – und auch | |
> politisch kaum Unterstützung geerntet | |
Von Lotta Drügemöller | |
So ein Haus für den Tanz, das wär’schon was – zumindest, wenn man den | |
TeilnehmerInnen einer Podiumsdiskussion in dieser Woche glaubt, liegen die | |
Vorteile auf der Hand: Erstens setze sich der Tanz durch eine eigene | |
Institution stärker im Bewusstsein fest, zweitens könnten TänzerInnen der | |
freien Szene hier proben und Anfänger von Arrivierten lernen. Drittens | |
könnte man von hier aus Netzwerke mit anderen Städten und Ländern aufbauen, | |
viertens gäbe es Raum für Kooperationen mit Schulen und schließlich böte es | |
große Bühnen für große Aufführungen. | |
Auf dem Podium sitzt geballte Tanzhaus-Kompetenz: Da ist Michael Freundt, | |
Geschäftsführer des Dachverbandes Tanz Deutschland, Nele Hertling von der | |
Berliner Akademie der Künste, Ann-Cathrin Lessel aus der Geschäftsführung | |
des Leipziger Off-Theaters, die Berliner Tanzkritikerin Elisabeth Nehring | |
sowie Bertram Müller, der in den 1970ern das Tanzhaus Düsseldorf | |
mitbegründet hat. | |
Und so wird viel angemahnt: Man müsse zusammenarbeiten, eine klare | |
Aufteilung der Kompetenzen schaffen, die anderen Akteure in der Stadt | |
mitnehmen. Wer indes fehlt auf dem Podium, das sind die anderen Akteure in | |
der Stadt: kein Vertreter der Schwankhalle, niemand vom Theater, niemand | |
vom Schlachthof, nicht mal im Publikum. Das hat Gründe: Die InitiatorInnen | |
Helge Letonja (Steptext Dance Project), Heide-Marie Härtel (Deutsches | |
Tanzfilminstitut Bremen) und Günther Grollitsch (Tanzbar Bremen) hatten die | |
lokale Szene mit ihrem Vorstoß brüskiert. | |
Im März hatten Letonja und seine MitstreiterInnen im Weser-Kurier ihren | |
Plan ausgebreitet. Herzstück: ein Ausbau der Schwankhalle. Deren | |
VertreterInnen wussten allerdings nichts davon, überhaupt war ihnen die | |
Idee eines Hauses des Tanzes in Bremen noch gänzlich neu. „Wir fanden die | |
Vorgehensweise sehr unkollegial – an die Medien zu gehen, ohne alle Player | |
oder zumindest enge Mitarbeiter mitzunehmen“, erklärt die künstlerische | |
Leiterin Pirkko Husemann auf Nachfrage. „Insofern war es schon ein | |
bewusstes Statement, nicht zur Diskussion zu erscheinen.“ | |
Die unabgesprochene Planung fällt in eine Zeit, in der die Kulturszene | |
eigentlich zusammenrückt. In den sogenannten „Denkzellen“ kamen 2018 | |
Vertreter aller Sparten zusammen, um eine Bestandsaufnahme der | |
Kulturbetriebe zu schaffen, im Dezember veröffentlichte die Stadt daraus | |
ihren Kulturförderbericht. Festgestellt wurde: Die gesamte freie Szene in | |
Bremen ist unterfinanziert. Es fehlt an planbaren, längerfristigen | |
Engagements, Vernetzung, Fördermitteln, Proben- und Präsentationsräumen. | |
Der Clinch zwischen Steptext mit Helge Letonja auf der einen Seite und der | |
Schwankhalle auf der anderen wirkt noch drängender, weil beide gezwungen | |
sind, räumlich eng zusammenzuarbeiten. „Wir haben noch einen | |
Nutzungsvertrag mit Steptext. Natürlich kooperieren wir weiter, auch wenn | |
das Verhältnis zurzeit natürlich angespannt ist“, so Husemann. Ob es sich | |
für Letonja und seine Mitstreiter gelohnt hat, ein kollegiales Verhältnis | |
zu erschüttern? | |
„Ein Tanzhaus wird nicht gegründet; es entsteht, wenn der richtige Moment | |
da ist“, orakelte Podiumsteilnehmer Bertram Müller. Entscheider müssten | |
kapieren, „dass sie über ein Tanzhaus ihre Unsterblichkeit absichern“. Doch | |
mit derartigen Mysterien und der Unsterblichkeit ist die Bremer | |
Politikszene derzeit nicht zu locken, wie die Debatte im Anschluss an den | |
Expertentalk zeigte: Ja, ja, „inspirierend“ und „sehr wichtig“ und | |
„wunderschön“ hieß es zwar recht vielversprechend von den kulturpolitisch… | |
Sprechern der SPD, Grünen und Linken, doch bei allen folgte ein recht | |
endgültiges „Aber“. Denn,„so charmant die Idee ist, verwirklicht sehe ich | |
sie nicht, zumindest nicht in den nächsten vier Jahren“, so Miriam Strunge | |
(Linke). Arno Gottschalk (SPD) gab zu bedenken, dass alle künstlerischen | |
Sparten ein Raumproblem hätten, nicht nur der Tanz. „Wir müssen die Kräfte | |
bündeln“, forderte auch Nima Pirooznia (Grüne) und schlug ein „Haus der | |
freien Szene“ vor. | |
FDP-Bürgerschaftskandidat Pius Freiherr Heereman von Zuydtwyck aus Lesum | |
immerhin brachte die Bremer Wollkämmerei als möglichen Spielort ins | |
Gespräch. Er verscherzte es sich dennoch mit dem tanzaffinen Publikum, als | |
er ein Mal zu oft betonte, der Tanz sei Mittel zum Zweck, um soziale | |
Probleme in Bremen-Nord zu lösen. „Wir stehen hier als Kunstform, wir sind | |
keine soziale Einrichtung“, schimpfte eine Zuschauerin. | |
Claas Rohmeyer, kulturpolitischer Sprecher der CDU, der nicht zum Podium | |
gekommen war, kann sich zumindest vorstellen, den Tanz auch im Vergleich zu | |
anderen Kunstformen überdurchschnittlich stark zu fördern. Das sei aber | |
kein Wahlkampfthema. Es sollte lieber „in der nächsten Haushaltssitzung | |
nach der Wahl besprochen werden.“ | |
Helge Letonja auf jeden Fall wirkte angefasst. „Wir sind heute mit einer | |
konkreten Vision hier angetreten“, sagte der | |
Steptext-Dance-Project-Gründer. „Ich habe aber das Gefühl, dass der Tanz in | |
seiner künstlerischen Dimension noch nicht ganz zu Ihnen durchgedrungen | |
ist.“ „Deine Enttäuschung kann ich verstehen, Helge“, tröstete Gottscha… | |
„Ihr sagt: ,Hier, unser Projekt‘ und wir sagen ,Nee, so leider nicht.‘“… | |
dürfe als Politiker aber auch im Wahlkampf keine rosa Wolken malen und | |
finanzielle Probleme verschweigen. | |
18 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Lotta Drügemöller | |
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