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# taz.de -- Defensiv harmlos
> Das Theater Bremen geht erste Schritte, um den Umgang mit Rassismus und
> Sexismus in der Oper zu problematisieren. Die „Verführung aus dem Serail“
> aber geht nicht weit genug
Bild: Viel dreckige Wäsche ist in der Oper noch zu waschen. Die „Verführung…
Von Florian Maier
Mit dem Lastenaufzug geht es nach oben, hinauf zur Probebühne, an einen
Ort, an den man sonst im Theater Bremen nicht kommt. Der Raum ist nur
spärlich beleuchtet, mit Taschenlampen wird man zu den Plätzen geführt.
Lange Wäscheleinen mit Kleidung versperren den Weg, man muss geduckt unter
ihnen hindurch, manchmal auch darübersteigen. Aus Lautsprechern kommen
kurze Sequenzen aus Interviews: „Puh, das ist jetzt eine schwierige Frage“,
sagt eine Frau.
Die Musiktheatersparte des Theaters Bremen setzt sich mit Mozarts Oper
„Entführung aus dem Serail“ auseinander. Für das Projekt „Positionen.
Verführung aus dem Serail“ wurden im Vorfeld Konzerte mit Sänger*innen aus
dem Musiktheaterensemble veranstaltet, in Privathaushalten, Bürgerzentren
und Kirchengemeinden. Dabei erzählten sie zunächst die Geschichte der Oper
und stellten anschließend Fragen an die Zuschauer*innen. Deren Antworten
wurden aufgezeichnet und bilden nun den Ausgangspunkt, um sich der
zentralen Frage zu nähern: Wie macht man Oper zeitgemäß?
Denn Mozarts Oper war, das ist der Ausgangspunkt des Projekts, seinerzeit
der „Inbegriff des Orientalischen schlechthin – gleichermaßen
Schreckensphantasie wie Sehnsuchtsort“. Doch wie viel hat das Singspiel
auch heute noch mit ganz persönlichen Vorstellungen vom Orient zu tun?
Regisseurin Vendula Nováková lässt die Darsteller*innen mal singen, mal
interviewen sie sich gegenseitig, spielen miteinander, strippen oder werfen
mit Kleidung durch die Gegend. Viele Teile des Stückes wirken improvisiert
und dabei sehr nah an den Darstellenden. Das verleiht dem Abend eine
persönliche Note, führt aber auch zu komischen Situationen. Auf die Frage,
wie für sie das Paradies aussehe, antwortet eine der Darsteller*innen:
„Paradies ist ein Ort ohne Menschen.“ Für einen anderen ist es ganz
weltlich der Bremer Stadtteil Blumenthal im Sommer.
Als Darstellerin Zeynep Tugçe Özdemir gefragt wird: „Was bedeutet der
Orient für Sie?“, antwortet sie schlicht mit: „Osten.“ Auch wenn sie lan…
in der Türkei gelebt habe – die Glorifizierung des Landes verstehe sie
nicht. Und dass sie gern Tee trinke: eine persönliche Vorliebe, mit ihrer
Herkunft habe das nichts zu tun. Für Darstellerin Lisa Florentine Schmalz
wiederum ist der „Sehnsuchtsort Orient“ nur ein Märchen, eine „imaginäre
Geografie“.
Mit all den Klischees aufzuräumen, die da in und um Mozarts Oper herum
auftauchen, gelingt dem Projekt so aber nur in Ansätzen. Vieles wird zu
unreflektiert auf das Publikum losgelassen. Wenn etwa Darsteller Christoph
Heinrich – im Hintergrund erklingt Mozarts „Rondo alla Turca“ – im
klischeemigrantischen Jugendslang zu seinem Kollegen Wissam Alkhalil sagt:
„Walla, klingt nach Beethoven. Beethoven ist ein Ehrenmann“, dann bleibt es
bei dieser Aussage. Diskutiert wird sie nicht. So wirken viele der Fragen
bloß wie weiße Wohlfühlkritik an Herrschaftsverhältnissen.
Interessanter wird es, wenn schon auf den Tonaufnahmen eine Unsicherheit
spürbar wird oder das Ensemble selbst verunsichert wirkt. Natürlich sind
die Fragen, die der Abend stellt, tatsächlich nicht einfach zu beantworten.
Bestimmte Phänomene einfach wegzulachen, statt sich tiefer mit ihren
Ambivalenzen auseinanderzusetzen, ist dann doch zu wenig. Warum die eigene
Unsicherheit nicht selbstbewusst behaupten?
So entsteht der Eindruck, dass die neue Reihe „Positionen“ zwar beginnt,
die richtigen Fragen zu stellen, mehr als an der Oberfläche zu kratzen aber
gelingt ihr noch nicht.
Sa, 25. 5., 18 Uhr, und So, 26. 5., 20 Uhr, Theater Bremen, Treffen vor dem
Eingang zum „Noon“
25 May 2019
## AUTOREN
Florian Maier
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