# taz.de -- nordđŸthema: Ein neues Dorf in der Stadt | |
> Mit dem âStiftungsdorf Ellener Hofâ entsteht ein innovatives Bauprojekt | |
> im Bremer Stadtteil Osterholz. DiversitÀt und Gemeinschaft stehen hier | |
> ebenso im Mittelpunkt wie bezahlbare Wohnungen, CO2-neutrale Bauten, | |
> begrĂŒnte DĂ€cher und ein ökologisches Verkehrskonzept | |
Bild: So sollâs eines Tages einmal aussehen im âStiftungsdorf Ellener Hofâ | |
Von Lea Schweckendiek | |
Ein groĂer, gelber Kran bildet seit einigen Wochen den Mittelpunkt einer | |
kahlen, ausgehobenen BauflÀche mitten im Bremer Stadtteil Osterholz. | |
âBauabschnitt einsâ nennen die Bauprojektleiter*innen das sandige Loch, in | |
dem in den kommenden Monaten die ersten Wohneinheiten eines neuen, | |
innovativen Bauprojektes entstehen sollen: das Stiftungsdorf Ellener Hof. | |
Christoph Theiling ist Landschaftsarchitekt und leitet mit seiner Firma die | |
Umsetzung des Vorhabens. Schon seit einigen Monaten ist er stÀndig vor Ort | |
â im Austausch mit der Bremer Heimstiftung, der das GrundstĂŒck des | |
Projektes gehört. Die Stiftung trÀgt in Bremen zahlreiche Wohn- und | |
Pflegeeinrichtungen, fĂŒr Alte genauso wie fĂŒr Menschen mit Behinderung. | |
Seit 2015 unterstĂŒtzt sie das Projekt Ellener Hof, das, getragen von | |
BĂŒrger*innen des Stadtteils, 1988 zur Wohnanlage fĂŒr Senior*innen wurde. | |
Wohnraum fĂŒr 1.000 Menschen | |
500 neue Wohneinheiten, die Sanierung von BestandsgebÀuden und ein | |
klimafreundliches MobilitÀtskonzept sieht die Planung auf dem Ellener Hof | |
vor, mit rund 1.000 neuen Bewohner*innen rechnet die Planung. Die Ersten | |
sollen schon im kommenden Jahr einziehen, wenn aus âBauabschnitt einsâ ein | |
Wohnkomplex mit Studierendenwohnheim geworden ist. | |
Folgen sollen ihm zahlreiche Bau- und Wohnprojekte, die vor allem eines im | |
Sinn haben: DiversitĂ€t. âWohnraum fĂŒr Jung und Alt, Arm und Reich, fĂŒr | |
Menschen aus den verschiedensten Nationen und mit den verschiedensten | |
sozialen HintergrĂŒndenâ: das ist Theilings Vision. Und die teilt die | |
Heimstiftung, besonders Sabine Schöbel, die als Hausleiterin der | |
bestehenden Wohneinrichtung schon jetzt tĂ€glich vor Ort ist. â25 Prozent | |
des Wohnraums werden als geförderter Wohnraum Menschen mit geringem | |
Einkommen zur VerfĂŒgung gestellt, die meisten von der | |
Wohnungsbaugesellschaft Gewobaâ, sagt sie. âAber zum Beispiel auch der von | |
uns getragene Wohnraum soll möglichst erschwinglich werden.â | |
Alternative Wohnprojekte, gemeinschaftliches Leben fĂŒr allein lebende | |
Jugendliche, kleine Wohnungen oder ReihenhĂ€user â jede*r soll hier einen | |
Platz finden können. Raum fĂŒr gemeinschaftliches Leben auf dem Ellener Hof | |
findet auch das Projekt âCasa Coloridaâ. Astrid Thomsen ist Teil des | |
Projektes, sie koordiniert den Bau mit sieben weiteren zukĂŒnftigen | |
Bewohner*innen. 26 Wohneinheiten sollen in dem Projekt entstehen, âund es | |
gibt noch jede Menge Platz fĂŒr Mitstreitendeâ, sagt sie. | |
Die Casa Colorida ist eins von zwei alternativen Bauprojekten auf dem | |
Ellener Hof, getragen wird es von der Stadtteilgenossenschaft Hulsberg. | |
âUnser genossenschaftliches Konzept bedeutet natĂŒrlich besondere Sicherheit | |
und gemeinschaftliche Struktur fĂŒr unseren zukĂŒnftigen Wohnraumâ, sagt | |
Thomsen. Gemeinsame RÀume, WerkstÀtten und GÀrten sollen die Gemeinschaft | |
stĂ€rken, separate Wohnungen in verschiedenen Formen einen RĂŒckzugsort | |
bieten. âUnser Projekt wĂŒnscht sich eine diverse Beteiligung: Wir wollen | |
mit allen Generationen und unabhÀngig vom Geldbeutel zusammenleben. | |
Solidarische Finanzierungskonzepte sollen das tragen.â | |
FĂŒr die Casa Colorida ĂŒberzeugten ökologische wie soziale Aspekte des | |
Ellener Hofs. âMich in mein Quartier einbringen zu können, ein aktives | |
Umfeld zu haben und selbst AktivitÀt zu tragen, darauf freue ich mich, wenn | |
ich an das Leben im Ellener-Hof-Quartier denkeâ, sagt Thomsen. 2020 soll | |
der Bau des GebĂ€udes fĂŒr das Projekt beginnen, der Bauantrag wird noch in | |
diesem Jahr fĂ€llig. âWir setzen uns dazu regelmĂ€Ăig mit dem Architekten | |
zusammen, planen gemeinsam und entwerfen das GebÀude. Entscheidungen | |
treffen wir im Konsens, damit alle zukĂŒnftigen Bewohner*innen sich in | |
unserem Haus wohlfĂŒhlen. Das ist der Vorteil daran, ohne BautrĂ€ger zu | |
arbeiten.â Auch verbandliche Nutzung wird in die Bauplanung einbezogen. | |
Einen Kindergarten gibt es bereits, Ărzt*innen, Deutsches Rotes Kreuz und | |
viele weitere sollen folgen, um das Leben auf den gut zehn Hektar Grund im | |
neuen Quartier zu gestalten. | |
NatĂŒrliche Ressourcen | |
Neben der DiversitÀt zeichnet das Stiftungsdorf eine weitere Besonderheit | |
aus: CO2-neutrale Bauten, begrĂŒnte DĂ€cher und ein ökologisches | |
Verkehrskonzept. Die Bauleitung hat Nachhaltigkeit zu ihrem Konzept gemacht | |
âDie Heimstiftung versucht, beim Bauen allein mit natĂŒrlichen Ressourcen | |
auszukommen, also Material zu verwenden, das recycelbar ist und | |
nachwĂ€chstâ, sagt Theiling. Deshalb habe man sich auf Holzbau geeinigt. | |
BegrĂŒnte DĂ€cher und energetische Effizienz sollen das Konzept ergĂ€nzen. | |
âDie Heimstiftung plant, dass auf der Ăberdachung eines ebenerdigen | |
Parkplatzes ein Spielplatz und Raum im GrĂŒnen zur gemeinsamen Nutzung | |
entsteht.â | |
Autos sollen, wenn es nach den Planer*innen geht, nicht im Quartier | |
auftauchen. LastenrÀder, Car-Sharing und eine Fahrrad-Leihstation sowie | |
eine Selbsthilfe-Werkstatt sollen den Verzicht attraktiv machen. Vorbilder | |
dafĂŒr findet der Stadtteil in innovativen Bauideen anderer StĂ€dte: âDie | |
Heimstiftung hat dafĂŒr nach Freiburg oder TĂŒbingen geschaut. Diese StĂ€dte | |
haben wir auch gemeinsam besucht, uns dort Projekte angeschaut und das | |
Beste aus allen als DenkanstöĂe mitgenommenâ, sagt Theiling. | |
Erst 2015 begann die Planung des neuen Quartiers. Dass schon vier Jahre | |
spĂ€ter die erste Baustelle in den Startlöchern steht, ist fĂŒr Theiling und | |
Schöbel besonders aus planerischer Perspektive nicht selbstverstÀndlich. | |
âWir arbeiten dezentral mit so vielen Akteuren, dass eine so schnell | |
voranschreitende Planung wirklich besonders ist und viel UnterstĂŒtzung von | |
der Verwaltung erfĂ€hrtâ,sagt Theiling. | |
Gegen Sorgen und BefĂŒrchtungen in der Nachbar*innenschaft, die den GroĂteil | |
des zukĂŒnftigen Stiftungsdorfes schon seit Jahren nur als umzĂ€unte | |
GrĂŒnflĂ€che kennt, wurden Foren organisiert, Fragen angeregt und eine | |
gemeinsame Planung angestrebt â auch dieser demokratische Aspekt gehört zur | |
Innovation des Projekts. | |
Luftballons auf Haushöhe | |
Und auch die zukĂŒnftigen Nutzer*innen wurden bereits zu Beginn der | |
Planungsphase in den Prozess eingebunden. âWenn sich Anwohner etwa Sorgen | |
um die Höhe der entstehenden Bauten und um die Aussicht aus ihrem Fenster | |
machen, dann suchen wir nach Möglichkeiten, ihnen die zu nehmen, um das | |
Projekt auch in der Nachbarschaft positiv wahrnehmbar zu machenâ, sagt | |
Schöbel. So wurden etwa bunte Luftballons auf den BauflÀchen in der Höhe | |
aufgehĂ€ngt, in der auch die HĂ€user geplant werden. âUnd plötzlich sieht man | |
als Nachbar, dass die BÀume, die dort bereits stehen, alle viel höher sind | |
als die entstehenden Bauten. Solche Sorgen sind im Dialog leicht aus dem | |
Weg zu schaffen.â | |
Erbpacht statt Eigentum | |
FĂŒr einen partizipativen Bauansatz verpachtet die Heimstiftung ihre FlĂ€che | |
auĂerdem per Erbbaurecht, behĂ€lt also das Eigentum an den BauflĂ€chen, | |
verpachtet sie aber fĂŒr eine Nutzung bis zu 99 Jahre lang. Eine | |
Weiternutzung ist dann je nach Bedarf mit einem neuen Vertrag möglich. âDie | |
Stiftung will damit FlĂ€chenspekulationen vermeidenâ, sagt Theiling. âEs ist | |
nicht in ihrem Sinne, dass Investoren die FlÀche kaufen und sie erst einmal | |
brach liegen lassen, um ihren Preis in die Höhe zu treiben, statt sie fĂŒr | |
dringend notwendigen Wohnraum zu nutzen.â | |
Auch die Planung der Wohneinheiten wurde den zukĂŒnftigen Nutzer*innen | |
ĂŒberlassen. âOb die gemeinschaftlichen Wohnprojekte oder die zukĂŒnftigen | |
Reihenhausbewohner: Sie alle haben sich persönlich mit den Bauplanern | |
zusammengesetzt und verwirklichen ihre eigene Vorstellung der zukĂŒnftigen | |
Bautenâ, so Theiling. Der Stadtteil, so sagt er, werde eben bunt: optisch | |
wie menschlich. | |
18 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Lea Schweckendiek | |
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