# taz.de -- nordđŸthema: Zum Sprache lernenĂŒbers Mittelmeer | |
> Drei LĂ€nder, drei Sprachen, eine Gruppe: Beim trinationalen | |
> Jugendaustausch treffen sich junge Deutsche und Franzosen mit | |
> Gleichaltrigen aus Marokko, Algerien und Tunesien und reden ĂŒber | |
> Chancengleichheit und den Arabischen FrĂŒhling | |
Bild: Rege Beteiligung beim trinationalen Austausch. Ein Problem ist aber die f… | |
Von Lukas Ziegler | |
Das Konzept des Jugend-Austausches ist allgemein bekannt und recht simpel. | |
Junge Leute zweier LĂ€nder â meist SchĂŒler*innen oder Studierende â besuch… | |
sich gegenseitig, unternehmen etwas gemeinsam und lernen so die jeweiligen | |
Lebensweisen kennen. Dieses Modell hat sich seit Jahrzehnten etabliert und | |
ist fester Bestandteil unseres Bildungssystems. Besonders intensiv ist | |
dabei die deutsch-französische Partnerschaft. Doch was ist, wenn ein | |
drittes, nicht europÀisches Land dazukommt? | |
Seit 1999 fördert das Deutsch-Französische Jugendwerk auch sogenannte | |
âTrilaterale Programmeâ mit den nordafrikanischen Maghreb-Staaten. Dabei | |
treffen Jugendliche aus Deutschland, Frankreich und einem der | |
maghrebinischen LĂ€nder Algerien, Marokko oder Tunesien aufeinander. Auch | |
Hamburger Jugendliche nehmen regelmĂ€Ăig teil. Gesprochen wird dabei in | |
allen drei Sprachen. | |
âMan kann total viel lernenâ, erzĂ€hlt Monica Jamalzae begeistert. Die | |
22-JĂ€hrige lebt seit fĂŒnf Jahren in Hamburg und nimmt gerade an ihrem | |
zweiten Austausch teil. Im Juli geht es fĂŒr die angehende Abiturientin und | |
sechs andere Hamburger*innen zwischen 18 bis 27 Jahren fĂŒr acht Tage in die | |
marokkanische Stadt Mohammedia. Sie wohnen dort in einem Hostel, gemeinsam | |
mit Jugendlichen aus Frankreich. Bereits im vergangenen Jahr waren junge | |
Leute aus Frankreich und Marokko in Hamburg zu Besuch. Und zuvor waren die | |
marokkanischen und deutschen SchĂŒler der Gruppe auch schon gemeinsam bei | |
den Franzosen zu Gast. | |
Das inhaltliche Thema der Begegnungen lautet âChancengleichheit von Jungen | |
und MĂ€dchen im trinationalen Vergleichâ. Es gebe âgroĂe Unterschiede zu | |
Deutschland, bei der Kultur, beim Essen, bei der Religionâ, berichtet | |
Monica Jamalzae, die selbst gebĂŒrtige Afghanin ist. âWir können voneinander | |
lernen.â Besonders gut habe ihr ein gemeinsamer Videodreh gefallen. | |
AuĂerdem kochten die Jugendlichen zusammen nach Rezepten aus ihren | |
HeimatlÀndern. | |
âOffen zu sein fĂŒr andere LĂ€nder, Sitten, BrĂ€uche und so weiter stĂ€rkt auf | |
jeden Fall die Persönlichkeit und bringt dich im Leben weiterâ, ist Jamazae | |
ĂŒberzeugt. Erfahren von dem Angebot hat sie durch den Hamburger Verein Abed | |
e. V. Der unterstĂŒtzt Jugendliche mit Förderbedarf. âAls ich vor fĂŒnf | |
Jahren nach Deutschland gekommen bin, hatte ich viele Schwierigkeiten, sie | |
haben mir dabei geholfenâ, erzĂ€hlt Jamalzae. Wegen ihres Interesses fĂŒr | |
Sprachen wurden ihr dann irgendwann die Austauschprogramme empfohlen. FĂŒr | |
sie hat sich seitdem viel verĂ€ndert. âIch habe sogar eine neue beste | |
Freundin gefundenâ, erzĂ€hlt die 22-JĂ€hrige glĂŒcklich. | |
Auch die SozialpĂ€dagogin Petra Barz ist sich sicher: âDie Programme | |
verĂ€ndern die Menschen nachhaltigâ. Sie ist beim Hamburger Verein âDock | |
Europeâ beschĂ€ftigt und hat bereits zahlreiche Austauschprogramme mit | |
Algerien und Marokko begleitet. Der Verein ist offizieller Partner des | |
Deutsch-Französischen Jugendwerks und bietet seit rund sechs Jahren die | |
besonderen Jugendbegegnungen an, bildet aber auch Betreuer*innen und | |
Dolmetscher*innen dafĂŒr aus. Er ist Teil des vom Jugendwerk initiierten | |
Netzwerkes âDiversitĂ€t und Partizipationâ. | |
ErklÀrtes Ziel ist es, gerade Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf eine | |
Teilnahme an den Programmen zu ermöglichen. Zudem soll der Austausch | |
zwischen den TrÀgervereinen in den verschiedenen LÀndern verbessert werden. | |
HierfĂŒr werden beispielsweise gemeinsame Konferenzen abgehalten. Die letzte | |
fand im vergangenen Dezember in Hamburg statt. Das Thema: âJugendaustausch | |
stĂ€rken â Radikalisierung verhindern?â. | |
Dabei sprachen die Teilnehmer*innen aus Deutschland, Frankreich, Marokko, | |
Tunesien und Algerien unter anderem ĂŒber die Folgen des Arabischen | |
FrĂŒhlings fĂŒr die Jugend im Maghreb. âViele der Jugendlichen, zum Beispiel | |
in Algerien, haben total viel drauf, sind aber frustriert ĂŒber die eigene | |
Perspektivlosigkeitâ, berichtet Petra Barz. Die geringen VerĂ€nderungen nach | |
der Protest- und Revolutionswelle hĂ€tten dies verstĂ€rkt. âBei den | |
Begegnungen geht es auch darum, die eigenen Privilegien zu erkennen und das | |
eigene Handeln zu hinterfragenâ, so Barz weiter. | |
So sei beispielsweise das Mittelmeer fĂŒr viele EuropĂ€er*innen ein | |
touristischer Ort, wĂ€hrend es fĂŒr die Menschen in den sĂŒdlichen | |
Anrainerstaaten vornehmlich ein Massengrab darstellt. Diese GegensÀtze | |
werden laut Barz auch öfter mal wĂ€hrend der Programme deutlich. âBei | |
Themen, wo sich die Sichtweisen sehr stark unterscheiden, ist das | |
Konfliktpotenzial natĂŒrlich groĂâ, so die SozialpĂ€dagogin. Die | |
Betreuer*innen wĂŒrden dann stets versuchen, diese pĂ€dagogisch zu lösen. | |
Besonders wichtig dabei sei, die Konflikte von der kulturellen Herkunft | |
abzukoppeln. Das wĂŒrde hĂ€ufig auch recht gut gelingen. âWir arbeiten mit | |
einem rassismuskritischen Grundsatz, die Gruppen sollen sich als eine | |
Gemeinschaft fĂŒhlen, in der unterschiedliche Erfahrungen anerkannt werdenâ, | |
hÀlt Barz fest. | |
Vereine wie Abed e. V. oder Dock Europe bekommen bei der DurchfĂŒhrung von | |
trilateralen Programmen UnterstĂŒtzung vom Deutsch-Französischen Jugendwerk | |
(DFJW). Die im Rahmen des ĂlysĂ©e-Vertrags von 1963 zur deutsch | |
französischen Freundschaft gegrĂŒndete Organisation hat seit dem Jahre 1999 | |
rund 526 dieser Projekte mit Maghreb-Staaten mit 8.525 Teilnehmer*innen | |
gefördert. Im letzten Jahr nahm dieses Feld rund drei Prozent des | |
Förderhaushaltes von rund 22 Millionen Euro ein, Tendenz steigend. | |
Die UnterstĂŒtzung geht aber ĂŒber das Finanzielle hinaus. âWir arbeiten | |
subsidiĂ€r, also unterstĂŒtzend, finanziell, pĂ€dagogisch und | |
organisatorischâ, erklĂ€rt Florence Gabbe, die Beauftragte fĂŒr trilaterale | |
Programme beim DFJW. Die Organisation wĂŒrde auch als Bindeglied zwischen | |
den Vereinen fungieren, so Gabbe weiter, und auch bei Problemen, etwa bei | |
der Erteilung von Visa helfen. âDie Ausarbeitung der Programme selber liegt | |
aber in der Hand der Vereineâ, stellt Gabbe klar. | |
Auch sie ist ĂŒberzeugt, dass die Programme groĂen Einfluss auf das Leben | |
der jungen Leute nehmen können. âViele Jugendliche sind deutlich | |
selbstsicherer und mutiger, was sie insbesondere beim persönlichen, aber | |
auch beim beruflichen Werdegang weiterbringen kannâ, sagt Gabbe. Einige der | |
Jugendlichen wĂŒrden sich sozial oder sogar politisch engagieren. | |
4 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Lukas Ziegler | |
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