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# taz.de -- nord🐾thema: Helfende Hunde
> Mit dem Projekt „Vier Pfoten für Sie“ unterstützt der Verein Hamburgisc…
> Brücke Menschen mit Demenz. Mitmachen können dabei ganz normale Tiere
Von Carlotta Hartmann
Der Mann mit den langen, weißen Haaren sitzt da und wartet, dass Frieda ihm
auf den Schoß klettert. Das Leckerli hat er sich auf sein bunt gemustertes
Hemd gelegt. Als der englische Cockerspaniel an ihm hochklettert und es
herunterfrisst, lacht der Mann. Er kennt das schon: Fast jedes Mal, wenn
Christina Koeplin mit ihrem Hund ins „Haus am Kanal“ kommt, ist er dabei.
In der Tagespflegeeinrichtung im Hamburger Stadtteil Dulsberg treffen sich
einmal in der Woche Menschen mit Demenz – zur Hundegruppe.
Im Erdgeschoss der Einrichtung sitzen fünf Frauen und ein Mann im
Stuhlkreis. Koeplin hockt in der Mitte und stellt Frieda vor. Wer zur
Hundegruppe kommt, das ist immer unterschiedlich: Manche sind zum ersten
Mal dabei, andere lächeln und scheinen Frieda zu erkennen. „Wir hatten
früher auch so einen“, erzählt eine Frau. „Aber jetzt mag ich die nicht
mehr anfassen.“ Stattdessen schaut sie zu, wie Frieda den anderen
BewohnerInnen das Futter aus der Hand frisst, das Koeplin verteilt hat.
Seit drei Jahren kommt Koeplin regelmäßig mit Frieda ins „Haus am Kanal“.
Der Hundebesuch ist Teil des Projekts „4 Pfoten für Sie“ der Hamburgischen
Brücke. Der Verein unterstützt Menschen mit psychischen Belastungen oder
Demenz. „Die Hunde schaffen Vertrauen und bringen Kontakt und Aktivität in
den Alltag“, sagt Bianca Huckfeldt, die das Projekt koordiniert.
Nach einer Begrüßungsrunde holt Christina Koeplin Spielzeug heraus: Aus
alten Klopapierrollen hat sie Bälle gebastelt, in denen die Besucher*innen
der Hundegruppe jetzt Leckerlis verstecken können. Frieda rollt die Bälle
über den Fußboden um an ihr Futter zu kommen. „Wir haben auch immer alles
versteckt“, sagt eine Frau und erzählt von ihrem Hund Luchs. Eine andere
erinnert sich an Spaziergänge mit dem Hund von Freunden – sie selbst hätte
nur Vögel und ein großes Aquarium gehabt.
Tiere hatten hier fast alle einmal. „Ich mag nicht so gerne Hunde, lieber
Katzen“, sagt eine Frau. Koeplin geht im Kreis umher, nimmt die Menschen
bei der Hand und stellt Fragen. Dem Mann im bunten Hemd hilft sie etwas auf
die Sprünge: „Pferde hatten Sie früher, richtig?“. Er nickt – er war la…
Westernreiter. „Anfangs war er in der Hundegruppe sehr verschlossen – jetzt
lässt er Frieda ganz nah an sich heran“, sagt Koeplin. Vor rund vier
Jahren, auf dem Weg zu ihrer Großtante, lief sie mit Frieda über den Flur
eines Altenheims. Eine Frau, die sonst kaum sprach, schaute den Hund an,
begann ihn zu streicheln und erzählte Koeplin von den Hunden, die sie als
Kind gehabt hatte. „Ich bin dann immer wieder zu ihr gegangen“, sagt
Koeplin.
„Ich wollte mit diesem Hund eine Aufgabe haben“, sagt sie. Sie ging mit
Frieda zum Eignungstest für Hundehalter*innen, den die Hamburgische Brücke
Hundehalter*innen zweimal jährlich anbietet. „Der Test ist eher ein
unverbindliches Kennenlernen“, sagt Bianca Huckfeldt, Koordinatorin bei „4
Pfoten für Sie“.
Der Hund musssich wohlfühlen
Es gehe darum herauszufinden, ob sich der Hund in den nachgespielten
Situationen wohlfühlt und Spaß an der Aufgabe hat. Auf den Eignungstest
folgt eine 40-stündige Schulung, welche die Ehrenamtlichen auf den Umgang
mit Menschen mit Demenz vorbereiten soll. Nach einem zweitägigen
Besuchshundetraining und der Prüfung zum Hundeführerschein vermittelt
Huckfeldt die Ehrenamtlichen und ihre Hunde an Menschen, die besucht werden
wollen. Ob jemand den Hund füttern, mit ihm spielen oder kuscheln wolle:
„Die Chemie muss zwischen allen Beteiligten stimmen“, sagt Huckfeldt.
Die meisten Ehrenamtlichen bei „4 Pfoten für Sie“ besuchen Menschen zu
Hause oder im Pflegeheim, oder gehen mit ihnen Spazieren. Eine Hundegruppe,
wie Koeplin sie besucht, ist eher ungewöhnlich. „Sie war anfangs sehr
schüchtern“, sagt Koeplin. Mit der Zeit habe sie sich aber an die Gruppe
gewöhnt und sei viel mutiger geworden.
Das mag auch an den Streicheleinheiten und Leckerlis liegen – davon bekommt
sie reichlich. Koeplin holt einen Kasten mit kleinen Schubladen heraus, in
denen jeder*jede ein Leckerli verstecken kann. „Eins, zwei, drei, Frieda
such!“, rufen alle zusammen. Eine Frau, die kurz eingenickt ist, schreckt
aus dem Schlaf hoch. Frieda beginnt zu schnüffeln, macht mit der Schnauze
eine kleine Schublade auf und frisst das Leckerli heraus.
„Wie patent, das ist ja toll!“, sagt eine Dame. Ihre weißen Haare sind zu
einem Dutt zusammengebunden, sie trägt eine lavendelfarbene Strickjacke und
eine passende Kette. „Man müsste Hund sein, aber man ist und bleibt immer
nur ein Mensch“, sagt sie.
Später packt Koeplin einen Fotoband aus und liest einen Text über einen
alten Hund vor. „Frieda ist auch schon ganz schön alt“, sagt sie. Die
siebenjährige Hündin höre nicht mehr so gut. Als Koeplin die anderen nach
dem Alter fragt, geraten manche ins Stocken oder nennen Geburtsjahrgänge
stattdessen. So sicher, wie sie von Erinnerungen erzählen, wundert es kurz,
dass die Gegenwart weniger klar ist.
„Die Hunde haben keinen Therapieauftrag“, sagt Huckfeldt. Trotzdem kann die
Pflegekasse die Besuche in manchen Fällen übernehmen. Die 20 Euro pro
Stunde beinhalten eine Aufwandsentschädigung für die Ehrenamtlichen und die
Finanzierung des Projekts. Sie sei immer auf der Suche nach Menschen mit
Demenz oder deren Angehörigen, die besucht werden wollen, sagt Huckfeldt.
Der nächste “Eignungstest“ findet im August statt. Infos:
[1][www.4-pfoten-fuer-sie.de]
27 Apr 2019
## LINKS
[1] http://www.4-pfoten-fuer-sie.de
## AUTOREN
Carlotta Hartmann
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