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# taz.de -- Öl ist die Mutter des Kapitalismus
> Regine Dura und Werner Kroesinger verfolgen die Spur der Petrodollars in
> ihrem dokumentarische Stück „Schwarze Ernte“ im HAU. Dabei geht es auch
> um den Export des Islam
Bild: Das Öl tendiert zum Action-Painting in dem Stück „Schwarze Ernte“
Von Inga Dreyer
Tiefschwarz und ekelerregend zähflüssig erscheint das Getränk in ihren
Gläsern. Was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Saudi Aramco aber
nicht weiter zu stören scheint. Fröhlich nippen sie an ihren merkwürdigen
Drinks und preisen die schier unendlichen Möglichkeiten der riesigen
Erdölfördergesellschaft. „Come and live the dream with us“, „Lebe den T…
mit uns“, sagt Lee (Lajos Talamonti) grinsend. Im Hintergrund läuft
Pling-Pling-Musik (Mattef Kuhlmey) und alle sind happy.
Das Dokumentartheaterstück „Schwarze Ernte“ von Regine Dura und Hans-Werner
Kroesinger, das am Wochenende im Hebbel am Ufer in Berlin uraufgeführt
wurde, erzählt die Geschichte der Erdölförderung in Saudi-Arabien, deren
Verquickung mit den Interessen der USA und dem Export der saudischen
Spielart eines traditionalistischen, sunnitischen Islams, des Wahhabismus.
Zu Anfang ist die Bühne so weiß wie ein leeres Blatt Papier. Mit der Zeit
verbreitet sich schmierige, schwarze Farbe, sprudelt aus dem Waschbecken
und läuft an der Rückwand des Bühnenbildes (Friederike Meisel) in dunklen
Schlieren hinunter.
Die Dokumentarfilmregisseurin, Dramaturgin und Autorin Regine Dura und der
Dokumentartheater-Macher Werner Kroesinger, seit etlichen Stücken ein Team,
finden starke Bilder für ihr anspruchsvolles Thema. Der stimmige Rhythmus,
die Präsenz der Schauspieler und Schauspielerinnen (Claudia Splitt,
Rashidah Aljunied, Lajos Talamonti, Oscar Olivo), die atmosphärische bis
treibende Musik und eine Portion Situationskomik sorgen dafür, dass die
Informationsflut nicht ermüdend wirkt.
Gefordert sind die Zuschauerinnen und Zuschauer trotzdem. Sie erfahren, das
fast gleichzeitig mit der Gründung des Königreiches Saudi-Arabien im Jahr
1932 zum ersten Mal Erdöl entdeckt wurde. Das schwarze Gold wird seitdem
aus den Tiefen der Erde gepumpt und treibt die Wirtschaft und Finanzmärkte
auf deren Oberfläche an. „Öl ist die Mutter des Kapitalismus“, betont Laj…
Talamonti.
Der Ölreichtum Saudi-Arabiens und der Hunger der USA nach fossilen
Brennstoffen führen zu einem Tausch: militärische Hilfe gegen den
sichereren Zugang zu Ölreserven. „Die USA werden offiziell Schutzmacht der
Wahhabiten“, heißt es. Im Zeitraffer geht es durch die Geschichte.
Schlaglicht auf die 1980er-Jahre: Die Mudschaheddin kämpfen – finanziert
von den USA und Saudi-Arabien – in Afghanistan gegen die Sowjets.
Schlaglicht aufs Jahr 1744: Der Prediger Abd al-Wahhab und der
Stammesführer Ibn Saud gehen eine bis heute bestehende Allianz ein, die die
Monarchie religiös legitimiert. Der Ölreichtum ermöglicht es den Wahhabiten
heute, ihre Ideen zu exportieren – beispielsweise übers Fernsehen:
„Aggressive Intoleranz wird in jeden Winkel der Erde geschickt.“
Während mit schwarzer Farbe das Wort „Blut“ an die Wand geschrieben wird,
spielen die anderen mit den bunten Erdölprodukten Mikado – ein Bild für die
Ignoranz, mit der die Politik Saudi-Arabiens aus westlicher Sicht bedacht
wird. Seit der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi im
Oktober 2018 im Konsulat in Istanbul ist der Blick jedoch kritischer
geworden.
Auch Kronprinz Mohammed bin Salman – genannt MBS –, der verdächtigt wird,
den Mord in Auftrag gegeben zu haben, kommt im Stück zu Wort. Er
bestreitet, dass der Staat den Export eines extremistischen Islams fördere.
„Saudi-Arabien ist das größter Opfer des Extremismus“, betont er. Der
33-Jährige inszeniert sich selbst gern als Erneuerer des Landes, hat aber
nicht nur durch den Khashoggi-Skandal an Glaubwürdigkeit verloren.
Regine Dura und Werner Kroesinger verfolgen die Spur der Petrodollars bis
nach Deutschland, wo bis vor Kurzem eine PR-Agentur die Monarchie beraten
hat. Das Stück mag manchen Zuschauern und Zuschauerinnen zu plakativ
erscheinen. Aber gerade bei diesem Thema erscheint die Direktheit nicht nur
erfrischend, sondern notwendig.
Nächste Vorstellungen: 10., 11. und 12. Mai, jeweils 19 Uhr, HAU3
10 May 2019
## AUTOREN
Inga Dreyer
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