# taz.de -- das ding, das kommt: Autonomer Welt-Soundtrack | |
Bild: Gerät mit Wirkung: Von seinen diversen Walkman-Modellen soll der Elektro… | |
Eigentlich geradezu ein Festival der Archäo-Unterhaltungstechnik: Wenn der | |
britische Im-weiteren-Sinne-Musiker Matt Wand jetzt einen Abend lang in | |
Hamburg zu Gast ist, dann bringt er nicht nur zwei selbstgedrehte | |
Super-8-Filme mit bzw. zur Aufführung. Als einer von mehreren weiteren | |
Programmpunkten ist auch angekündigt, Wand werde „Heimorgel-Versionen | |
klassischer Musik auflegen“. Zwischendurch trägt er auch noch gesprochene | |
Worte vor, also die allerälteste Unterhaltungstechnologie, könnte man | |
sagen, aber das Theme seines Vortrags ist dann wieder sehr einschlägig: | |
„Noise, Improvisation und Plunderphonics“. | |
Plunder-wer? „Plunderphonics“, vom englischen „to plunder“, plündern �… | |
Musik also, die sich bei anderen bedient, und das unter den Bedingungen | |
heutiger technischer Möglichkeiten: Fragmente werden verfälscht, | |
beispielsweise in veränderter Geschwindigkeit abgespielt, umarrangiert, | |
auch ausdrücklich gegen den Strich der ursprünglichen Urheber gebürstet. | |
(Sie wollen es konkreter? Googlen Sie mal „[1][Negativland]“ und „U2“.) | |
Wand nun weiß, wovon er da zu reden ankündigt: Er war selbst mal ziemlich | |
vorne dran bei Sampling und Collage, in den 90ern – mit „Stock, Hausen & | |
Walkman“, einer, tja, Band? Projekt? Jedenfalls war da ja schon der Name | |
selbst eine Art Aneignung und Durchwalken: Der deutsche Avantgardekomponist | |
Karlheinz Stockhausen klingt an; vom anderen Ende des musikalischen | |
Spektrums das Retortenpopproduzententrio [2][Stock, Aitken and Waterman], | |
verantwortlich für Spät-80er-Mainstream-Perlen von Rick Astley bis Kylie | |
Minogue; und schließlich – und damit zurück zu den abgelagerten Schichten | |
vergangener Unterhaltungsgerätschaften: der Walkman. | |
Für die Jüngeren: Vor der Playlist und dem Allzweck-Phone waren mit teils | |
nur einer einzigen Funktion ausgestattete Geräte Stand der Dinge: der | |
MP3-Player etwa. Wer aber noch früher unterwegs die eigene Musik hören | |
wollte (und möglichst wenig anderes), der musste zum tragbaren | |
Kassettenabspieler greifen. | |
Der japanische Elektronikkonzern Sony nannte seinen ab 1979 zu Markte | |
getragenen „Walkman“ – kein schlechter Name, denn ums Hören beim Gehen, | |
englisch: to walk, ging es ja. Und das war keine Lappalie, diese | |
Mobilisierung, auch Autonomwerdung des kulturellen Konsums – nicht von | |
ungefähr war ein Schlüsseltext der marxistisch grundierten britischen | |
Cultural Studies dem Walkman gewidmet. | |
Da liegt ein nie gedrehter Underdog-schlägt-den-Corporate-Kapitalismus-, | |
also: typisch 80er-Jahre-Märchenfilm brach: Zwei Jahre vor dem japanischen | |
Elektro-Riesen hatte ein deutscher Tüftler im Prinzip dasselbe Gerät schon | |
mal erfunden – was sie in Tokio aber erst nach dem Tod von Sony-Patriarch | |
Akio Morita einräumten; auch eine Geschichte von ungebetener Aneignung, | |
könnte man sagen.Alexander Diehl | |
Do, 9. 5., 20 Uhr, Studio 45, Wendenstraße 45c, Hamburg | |
4 May 2019 | |
## LINKS | |
[1] /!5299152/ | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=ZzQQgrqFZHc | |
## AUTOREN | |
Alexander Diehl | |
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