# taz.de -- taz🐾thema: Klare Linien, gebrochene Biografien | |
> Im Jubiläumsjahr können Bauhaus-Fans auch abseits ausgetretener Wege | |
> Schätze entdecken: in Weimar das neue Museum, in Leipzig die Bedeutung | |
> des Bauhauses für die Messestadt und in Eisenhüttenstadt eine | |
> Ausstellung, die sich mit der Moderne in der DDR beschäftigt | |
Bild: Das Montagemöbelprogramm der Deutschen Werkstätten Hellerau (MDW), entw… | |
Von Jana J. Bach | |
Sie feierten selbst gern – egal ob das Sonnenwend- oder das Drachen-Fest. | |
Eine Tradition, die in Weimar begann, dort, wo Walter Gropius 1919 das | |
„Staatliche Bauhaus“ gründete, und wo im April wieder ein Festakt anstand, | |
als zur Einweihung des neuen Bauhaus-Museums Weimar geladen wurde. Der | |
schlichte Betonkubus entstand nach Plänen der Berliner Architektin Heike | |
Hanada und legt den Fokus in seiner neuen Dauerausstellung inhaltlich auf | |
die so kurze wie wichtige Existenz des Bauhauses in der Klassikstadt | |
Weimar. | |
Das Feiern setzte sich seinerzeit in Dessau fort, wohin das Bauhaus bereits | |
1925 umzog, bevor die „Hochschule für Gestaltung“ 1932 von den | |
Nationalsozialisten geschlossen wurde. Schon im Bauhausmanifest war von der | |
Bildung „eines heiteren Zeremoniells“ durch Musik oder Theater zu lesen, | |
das grundsätzlich vom „Bau der Zukunft“ kündigte. Diesen sollten Künstler | |
und Handwerker, in sozialreformerischer Einheit gemeinsam errichten, „der | |
alles in einer Gestalt sein wird. Architektur und Plastik und Malerei“. | |
Gropius` Aufruf zur Gestaltungsrevolution, der auch Lebenswelt und Alltag | |
betraf und den er in einer Zeit der Umbrüche verlauten ließ, folgten viele | |
bedeutende Künstler. Paul Klee, Josef Albers, Wassily Kandinsky oder László | |
Moholy-Nagy wurden zu seinen Mitstreitern. Die festlichen Aktivitäten waren | |
auch der Versuch der Bauhäusler, mit den Weimarern in Austausch zu treten. | |
Die standen ihnen allerdings distanziert bisweilen sogar äußerst ablehnend | |
gegenüber. | |
Ein Fremdeln, dass der in seine „Kutte“ gekleidete, durch den Ort | |
spazierende Johannes Itten, Anhänger einer mystisch-phantastischen Sekte, | |
wohl noch befeuerte. Oder Theo van Doesburg, De Stijl-Verfechter, der mit | |
Hut, Monokel und weißer Krawatte zum schwarzen Anzug des Weges schritt. Sie | |
standen für radikal Gegensätzliches, doch beeinflussten beide das Bauhaus | |
maßgeblich. Das entwickelte sich voller Widersprüche, über eine | |
expressionistisch eingefärbten Frühzeit bis zu einer starken Ausrichtung | |
auf Architektur in späteren Jahren. | |
Neben einiger bestechender Gestaltungsideen habe das Bauhaus seine immense | |
Nachwirkung vor allem diesem Facettenreichtum zu verdanken, sagt Olaf | |
Thormann, der Direktor des Grassi Museums für Angewandte Kunst, das derzeit | |
die Sonderschau „Bauhaus Sachsen“ zeigt. | |
So hat es laut Thormann Bauhäusler auch in allen politischen Lagern | |
gegeben. In der Mehrheit waren sie weltoffen und demokratisch. Nur die | |
„moralisch leuchtend weiße Weste“ könne man ihnen nicht attestieren, so d… | |
Grassi-Direktor. Otto Beyers Zeitschrift „die neue linie“ huldigte | |
Mussolini zeitbedingt sogar auf dem Titelblatt. Andere dagegen landeten | |
unter Hitler in Konzentrationslagern. | |
Klare Linien und Formen, gebrochene Biografien – zuletzt wurden viele der | |
Bauhaus-Mythen ans Licht gesetzt. Manches hält sich dennoch hartnäckig. Bis | |
heute gilt das Bauhaus etwa als Synonym für die Moderne schlechthin, alles, | |
was modern anmutete, schrieb man ihm zu – jegliche Stahlrohrmöbel, die | |
Siedlungen von Bruno Taut ebenso wie Le Corbusiers weiße Villen. Dabei | |
machte die Kunstschule nur einen kleinen Teil der Moderne aus, es gab viele | |
andere Strömungen. | |
Das Ziel, den Kanon zu erweitern, verfolge jedenfalls auch das Grassi | |
Museum, erläutert Thormann. So führt die die Sonderschau mit Werken | |
zeitgenössischer Künstler bis in die Gegenwart. Vor allem aber legt sie | |
weniger Bekanntes offen: die Bedeutung Leipzigs fürs Bauhaus. | |
Hier waren die Grassimessen ansässig, „ein Multiplikationsort für die | |
Schule“, auf denen die Bauhäusler ihre Ideen präsentierten und Kontakte | |
knüpften, etwa zur sächsischen Industrie. Berühmtes, wie das Bauhaus | |
Schachspiel oder die Leuchten von Jucker und Wagenfeld, hatten dort ihre | |
Premieren. Ein Exemplar des „Barcelona Chairs“ zum Beispiel verblieb | |
1929/30 am Haus, freut sich Thormann, „den haben wir bis heute im Bestand“. | |
Seit 1919 steht das Kunstgewerbemuseum, für das Joseph Albers große | |
Treppenhausfenster entwarf, mit dem Bauhaus in Kontakt. Beinahe hätte es | |
1932 sogar ein Bauhaus Leipzig gegeben, „weil der damalige Direktor der | |
Mustermesse, ein strammer Nazi, um die Strahlkraft wusste, die von Ständen | |
eines Mies van der Rohe ausgingen“. | |
Als Verfechterin avantgardistischer Gestaltungsideen entwirft Lilly Reich | |
noch 1935 für Villeroy & Boch einen Messestand, „im total minimalistischen | |
Bauhaus-Outfit“. Auch aus den Produktionsstätten verschwand manches erst | |
auf Drängen der Kanzlei des Führers. Das Bauhaus, so Thormann, setzte sich | |
wirtschaftlich durch, trotz zeitweiser Verfemung und Diffamierung und | |
oftmals gegen die offizielle Lesart. | |
In Ostdeutschland wurde nach 1945 zunächst an die Moderne angeknüpft, sagt | |
Florentine Nadolni, die Co-Kuratorin der aktuellen Schau „Alltag formen! | |
Bauhaus-Moderne in der DDR“ in Eisenhüttenstadt. Doch dann wurde „die | |
gesamte Formensprache, auch Gestaltungsfragen, Teil des Kalten Krieges und | |
der Systemkonkurrenz“. | |
Mit Gründung der DDR erfuhren moderne Konzepte schließlich eine massive | |
Ablehnung, die für das Bauhaus in der „Formalismusdebatte“ gipfelte. „Ei… | |
funktionale Formensprache wurde von kulturpolitischer Seite dem Westen | |
zugeordnet“, so Nadolni, und das Bauhaus war schon dadurch verdächtig, dass | |
viele seiner Mitglieder in den 1930ern in die USA geflohen waren. | |
Bis zum baupolitischen Kurswechsel, der bereits in den 50ern einsetzte und | |
vor allem aus ökonomischen Zwängen heraus geschah, propagierte die SED | |
vermeintlich nationale Gestaltungstraditionen. 1971 wurde die Lösung des | |
Wohnungsproblems als Staatsziel verkündet. So begann der Siegeszug der | |
Plattenbauten noch vor Wiedereröffnung des sanierten Bauhaus Dessau 1976, | |
mit der die vormalige Hochschule zum offiziellen Kulturerbe der DDR wurde. | |
Design als Möglichkeit die Umwelt zu gestalten, löste sich wiederum schon | |
in den 1960ern aus den ideologischen Debatten, und im VEB Deutsche | |
Werkstätten Hellerau wurde etwa durchgängig nach vom Bauhaus inspirierten, | |
modernen Entwürfen produziert, wie etwa Baukastenmöbel. Es herrschte | |
Materialmangel in der Nachkriegszei , und „funktionale Möbel seriell | |
herzustellen, war da viel effektiver“, so Nadolni. Im Dokumentationszentrum | |
in Eisenhüttenstadt lässt sich eine Auswahl solcher Objekte finden, sowie | |
die widersprüchliche Bauhaus-Rezeption in der DDR ergründen. | |
Weimar eröffnete als erste der drei Städte, neben Dessau und Berlin, denen | |
das Bauhaus Erbe vornehmlich zugeteilt wird, ihr neues Museum. Doch die | |
Schule zog weite Kreise, auch abseits. Manches Juwel findet sich so, nun | |
ja, in der Provinz. Das Haus Rabe etwa, nahe Leipzig, konzipierte Oskar | |
Schlemmer als Gesamtkunstwerk. Von den Wandmalereien bis zur | |
Fußbodengestaltung wurde es nicht, wie etwa die sehr sehenswerten | |
Meisterhäuser rekonstruiert, sondern ist über die Jahrzehnte unversehrt | |
erhalten. | |
4 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Jana Janika Bach | |
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