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# taz.de -- Ausgehen und rumstehen von Lorina Speder: Die Suche nach den Massen
Ich möchte als Berlinerin immer hoffen, dass die ganze globale Kunstwelt
doch wenigstens am Gallery Weekend auf die deutsche Hauptstadt schaut. Die
Galerien fahren ihr vielversprechendstes Programm auf und öffnen ihre Türen
am Wochenende besonders lang. Die Sammler und potenziellen Käufer, für die
das Ganze gemacht wird, kommen genau wie JournalistInnen aber eigentlich
schon unter der Woche vorbei. Daher beginnt das Gallery Weekend auch für
mich schon vor dem Wochenende. Die US-Künstlerin Signe Pierce traf ich etwa
im Eigen+Art Lab. Sie projizierte dort seit Dienstagabend ihre Liquid
Paintings, die den hyperrealistischen Raum des Internets abbilden und das
Navigieren durch Social Media und Realität thematisieren. Wenn man ihrem
Instagram Account folgt, kann man ihr Werk und alles drum herum auch von zu
Hause mitverfolgen.
Doch die Internetpräsenz ermüdet mich schließlich. Und trotzdem ich schon
viel gesehen habe, wäre es doch ziemlich langweilig, am Wochenende den
Trubel aus Kunstinteressierten in der Stadt zu ignorieren. Also ging ich am
Freitagnachmittag zuerst zu Berta Fischers neuer Location, wo sie über
mehrere Stockwerke hinweg Land Art des Briten Richard Long zeigt. Die
Galerie Konrad Fischer findet man nun in der Grünstraße, im ehemaligen
Umspannwerk von Vattenfall, das in neuem Glanz erstrahlt. Die Böden sind
gerichtet, die Räume renoviert – ganz anders als vor einem Jahr, als man
bestimmte Flächen wegen Einsturzgefahr nicht betreten durfte. Die Stimmung
ist gut, und bei Sonne und Sekt füllt sich die Location mit befreundeten
Künstlern wie Eva & Adele und weiteren Protagonisten der Kunstwelt.
Anschließend folgt der Besuch bei Daniel Marzona im Kreuzberger Abschnitt
der Friedrichstraße. Marzona zeigt Fotografien von Axel Hütte. Der
ehemalige Student von Bernd und Hilla Becher präsentiert Naturaufnahmen aus
Südamerika und beweist Humor insofern, als die einzige Fotografie aus
Deutschland im dunklen Keller der Galerie hängt.
Liegt es daran, dass es erst 18 Uhr ist, dass ich den großen Massen, die
ich für das Gallery Weekend erwartet habe, bisher noch nicht begegnet bin?
Auch bei Carlier Gebauer sind sie nicht zu finden. Da hilft es, die Zeit
mit einer kurzen Eiskaffee Pause an der Rudi-Dutschke-Straße vergehen zu
lassen, um den weiteren Abend zu planen. Eine Fahrt zum Schöneberger Ufer
später sehe ich die Kunst des Koreaners Kim Yong-Ik, der samt Übersetzerin
durch die Galerie Barbara Wien streift und mit bekannten Szenegängern
plaudert. Die schöne Retrospektive seiner Kunst ist das Highlight am Abend.
Hier sieht man einen Künstler, der zweifelt und sich immer wieder neu
erfindet. Die Frage, was Kunst ist, was sie sein kann und ob sie jemals
abgeschlossen ist, zeigt sich auch in dem Ausstellungstitel „This is not
the answer“, der von einem mehrfach veränderten Werk Kims entnommen wurde.
Sein Suchen nach der Antwort klingt vertraut. Was genau ist die Antwort in
der Kunst? Und kann man sie beim Gallery Weekend finden? In dem komplett
überlaufenen Hof der Galerien Esther Schipper, Blain Southern und der
Galerie Judin suche ich danach. Und auch wenn ich mir nicht so sicher bin,
fündig geworden zu sein – auf die vermissten Massen aus Kunstinteressierten
bin ich am Ende dann doch noch gestoßen.
30 Apr 2019
## AUTOREN
Lorina Speder
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