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# taz.de -- heute in bremen: „35.597 verstorbene Geflüchtete“
Interview Cornelius Runtsch
taz: Frau Tuckermann, ein zentraler Teil Ihres Buches „Todesursache:
Flucht“ ist eine lange Liste. Wer steht auf dieser Liste?
Anja Tuckermann: Auf dieser Liste stehen die auf der Flucht nach Europa
oder in Europa verstorbenen Geflüchteten, das sind insgesamt 35.597. Die
Seenotrettungsorganisationen schätzen allerdings, dass die Dunkelziffer
ungefähr vier Mal so hoch ist. Diese Liste führt seit 26 Jahren das
holländische Netzwerk „United for Intercultural Action“. Im Buch ist die
Liste in ihrem Stand bis zum Ende November 2018 abgedruckt. Allerdings wird
sie stetig weiter geführt, sodass mittlerweile sicherlich noch einmal
tausend Fälle dazu bekommen sind. Wir arbeiten schon an der zweiten Auflage
des Buches.
Wie ist diese Liste genau zustande gekommen?
„United“ analysiert Berichte aller europäischer Zeitungen und versucht
dadurch, die Zahl der Toten nachzuvollziehen. Außerdem haben sie eine
Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration, sowie mit
dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR.
Was war Ihr Beitrag zu dem Sammelband?
Kristina Milz und ich sind die Herausgeberinnen. Da die meisten Toten ohne
Namen verzeichnet sind, haben wir im Gespräch mit Überlebenden der Flucht
etwa 80 Namen erfahren und aufnehmen können und über einige der Gestorbenen
Porträts geschrieben. Ihre Freunde und Wegbegleiter haben uns berichtet,
was für Menschen sie waren, und wie sie gestorben sind. Für das Buch haben
wir Journalisten, Wissenschaftler, Künstler, Aktivisten und auch Geistliche
gewinnen können, die sich mit Flucht und Fluchtursachen beschäftigt haben.
Das komplette Buch gibt es auch als Hörbuch, gesprochen von über 50
Personen.
Was bewegte Sie dazu, diesen Sammelband zu veröffentlichen?
Wir haben Ende 2017 mit der Recherche begonnen. Wir wollen zeigen, dass
hinter jeder Zahl ein Mensch mit seinen Angehörigen und seiner Geschichte
steht. Uns entsetzt, dass europäische Regierungen die Seenotretter
kriminalisieren und sich kaum dafür einsetzen, dass in Libyen keine
Menschen mehr gefoltert, sexuell misshandelt und versklavt werden. Dieses
Massensterben ist ein Skandal und erschüttert Europas Glaubwürdigkeit im
Innern wie nach außen. Unser Nachwort trägt denn auch den Titel „Europa,
deine Toten“.
24 Apr 2019
## AUTOREN
Cornelius Runtsch
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