# taz.de -- heute in bremen: „Die Repolitisierung relevanter Fragen“ | |
Interview Cornelius Runtsch | |
taz: Herr Thaa, wie hängen neoliberaler Kapitalismus und Rechtspopulismus | |
zusammen? | |
Winfried Thaa: Da gibt es zum Einen den viel thematisierten Punkt der | |
Enttäuschung sogenannter Modernisierungsverlierer, die rechtspopulistische | |
Parteien wählen würden. Das halte ich prinzipiell für zutreffend, | |
allerdings lege ich meinen Fokus auf die Veränderungen des Politischen als | |
Reaktion auf den Neoliberalismus. Letzterer bedeutet nicht nur freie Regeln | |
am Markt und Sozialstaatsabbau, sondern auch eine weitgehende | |
Gleichschaltung der verteilungspolitischen Konfliktlinien. Beispielhaft | |
sind Sozialreformen wie HartzIV, das ausgerechnet die sozialdemokratische | |
SPD durchgesetzt hatte. In diesen Fragen ist der politische Konflikt | |
geschwächt worden. | |
Wie sehen Sie den weiteren Verlauf dieser politischen Krise? | |
Ich würde lieber keine Zukunftsprognose machen. Mir geht es in der | |
Veranstaltung darum, die oben genannten Wirkungsweisen offenzulegen. | |
Allerdings sehe ich ein Gegenmittel in der Repolitisierung relevanter | |
Fragen. Mir geht es nicht um eine Moralisierung, sondern um eine stärkere | |
Vermittlung politischer Konflikte durch Parteien und Parlamente. | |
Wie können wir unsere Demokratie gegen rechtspopulistische Angriffe | |
schützen? | |
Ich denke, dass wir den politischen Konflikt und die Auseinandersetzung mit | |
strittigen Fragen suchen müssen. Man muss nun mal akzeptieren, dass es zu | |
komplexen Themen unterschiedliche, legitime Meinungen gibt, sei es in der | |
Flüchtlings- oder Wirtschaftspolitik. | |
In Ihrem Vortrag geht es auch um die Bedeutung der Identitätspolitik als | |
Krisensymptome. Sind hier sowohl die rechte, völkische Identitätspolitik, | |
als auch die links-liberale Identitätspolitik gemeint? | |
Ja, beide. Auch die linke Identitätspolitik halte ich für problematisch, da | |
sie gewissermaßen vorpolitische Identitäten in den politischen Raum trägt. | |
Das trägt dazu bei, dass dieser diskursiv vereinnahmt wird – sei es durch | |
ethnische, sexuelle oder soziale Identitäten. Wenn sich politische | |
Interessen nur noch über Gruppenzugehörigkeit definieren, dann wird sich | |
auch bald die Mehrheitsgesellschaft als weitere schützenswerte Gruppe | |
definieren. | |
4 Apr 2019 | |
## AUTOREN | |
Cornelius Runtsch | |
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