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# taz.de -- Letzte Stunde vor den Ferien
> Was die Arbeitnehmerkammer zur Bürgerschaftswahl fordert, hat sie schon
> auch verkündet. Aber auf harte Politik hat beim parlamentarischen Abend
> kaum einer Lust
Bild: Beim Get together ergeben sich Gespräche, und sei es nur über die Häpp…
Von Cornelius Runtsch
Das Buffet ist eröffnet, sofort wird das grelle Neonlicht sanft
heruntergedimmt und nach kurzem Stutzen merken die anwesenden
Politiker*innen, dass nun der schunkelige Teil des Abends in der
Arbeitnehmerkammer beginnt.
Dazu stimmt der scheinbar einem Wiener Kaffeehaus entflohene Pianist „Moon
River“ an, und Häppchen werden herumgereicht. Diese sind zwar putzig
drapiert, aber geben wenig Aufschluss über ihren Geschmack und Inhalt. Und
so zeigt sich, wer von den anwesenden Abgeordneten und Amtsträger*innen
Neuem und Ungewissen offen gegenübersteht und wer lieber zu unverfänglichen
Fleischspießchen mit Ananas greift.
Seit Anfang dieser Woche sind die Laternenpfähle der Hansestadt mit
Wahlplakaten aller Couleur behängt. Der Wahlkampf hat Fahrt aufgenommen.
Und das ist letztlich auch der Anlass des „Parlamentarischen Abends“, bei
dem die Arbeitnehmerkammer ihre Forderungen an die Politik vorstellt. Sie
ist immerhin die größte Vertreterin der Bremer Beschäftigten, eine
Institution mit Gewicht. Wer sich an diesem Abend im Saal umsieht, kommt
allerdings nicht umher, sich eher an die letzte Stunde vor den Ferien zu
erinnern, bei der sich Pausenclowns, Klassenlehrer*innen, Streber*innen und
die Unscheinbaren noch einmal an einen Tisch begeben, um in
süßlich-angespannter Atmosphäre für ein paar Wochen Adé zu sagen.
Sinnbildlich dafür steht zu späterer Stunde eine Begegnung mit Birgit
Bergmann, die als sogenannte „Querdenkerin für Arbeits- und Frauenpolitik“
der FDP an diesem Abend die Außenseiterin verkörpert – um in der
Schulklassenanalogie zu bleiben. Schließlich stört sich die Bremer
Landes-FDP schon immer an den Pflichtbeiträgen für die Kammer und fordert
ihre Abschaffung. Oder, um es mit den Worten des Präsidenten der
Arbeitnehmerkammer, Peter Kruse, zu sagen: „Wir können uns mit jedem
Wahlsieger anfreunden, der unser Existenzrecht nicht infrage stellt. Die
FDP gehört sicherlich nicht dazu.“
Birgit Bergmann gibt sich da versöhnlicher. Sie beteuert, dass die FDP
trotz aller Kritik keine Bedrohung für die Kammer darstellen würde. Der
Pianist stimmt „Let it be“ von den Beatles an.
Gekommen sind an diesem Donnerstag Abend rund 50 Persönlichkeiten aus der
Bremer Politik und es scheint, als ob man eine Einladung der
Arbeitnehmerkammer lieber nicht ausschlagen sollte. Denn sowohl Lencke
Steiner (FDP) als auch Maike Schaefer (Die Grünen) und Kristina Vogt (Die
Linke) schwänzen, was in Kruses Ansprache auch sofort mit einem Seitenhieb
quittiert wird. Carsten Sieling (SPD) und sein Herausforderer Carsten
Meyer-Heder (CDU) sind gekommen, auch wenn ersterer sich in der
Arbeitnehmerkammer natürlich als Klassenprimus fühlen kann, während
letzterer sich relativ zügig wieder verdrückt.
Dafür bleibt Sandra Ahrens (CDU) da. „Wir von der CDU machen uns wie die
Arbeitnehmerkammer ganz besonders stark für die Unterstützung
Alleinerziehender“, antwortet sie auf die Frage nach programmatischen
Überschneidungen. Einen grundsätzlich gleichen Lösungsansatz für die
Probleme am Bremer Arbeitsmarkt sehe sie allerdings nicht. Ein offenes Ohr
würde die Arbeitnehmerkammer bei einer möglichen Regierungsbeteiligung der
Union aber immer finden.
„Gut arbeiten, gut ausbilden, gut wirtschaften, die Stadt entwickeln“ sind
die Losungen der Arbeitnehmerkammer, die Kruse in seiner zwanzigminütigen
Rede zu Beginn vorstellt. Seiner Meinung nach seien die zentralen Probleme
die niedrige Beschäftigung, die dem an sich sportlichen Wirtschaftswachstum
deutlich hinterherhinke, sowie eine klaffende Ausbildungslücke, die
vergleichsweise niedrige Frauenerwerbsquote und die Herausforderung der
künftigen Stadtentwicklung.
Wenig überraschend freut sich die arbeitspolitische Sprecherin der Linken,
Claudia Bernhard, über Forderungen der Arbeitnehmerkammer.
„Frauenförderung, Landesmindestlohn, ein Landestarifbindungsgesetz, das
alles sind zentrale Forderungen der Linken“, betont sie.
Dann verklingt auf einmal das Piano, und das grelle Licht geht wieder an.
Viele werden nun tatsächlich vor dem anstehenden Bürgerschaftswahlkampf die
Osterpause nutzen. Danach gibt es ein paar Wochen lang Podiumsdiskussionen,
Kindergartenbesuche und ganz viel Händeschütteln. Mal sehen wer danach zum
Klassensprecher gewählt wird.
6 Apr 2019
## AUTOREN
Cornelius Runtsch
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