# taz.de -- Online-Medium für Südindien: Die Südstaaten-Connection | |
> Südindien unterscheidet sich klimatisch und kulturell vom Norden. Der | |
> aber ist in den Medien präsenter. Die Journalistin Rajendran will das | |
> ändern. | |
Bild: Bangalore im südlichen Staat Karnataka ist ein Tech-Zentrum | |
BANGALORE taz | „Ich wünsche mir mehr Journalismus mit Wirkkraft“, sagt | |
Dhanya Rajendran beim Interview im Hauptsitz von „The News Minute“ in | |
Bangalore. Nach mehr als einem Jahrzehnt beendete die 37-Jährige ihre | |
TV-Karriere als Fernsehstudioleiterin. Die Entwicklung beim Fernsehen | |
stagniere, sagt sie. Neue Ansätze, Geschichten zu erzählen oder eine | |
größere Öffentlichkeit zu erreichen, fehlten. Und vor allem der Süden | |
Indiens werde von den Medienmachern im Norden des Landes | |
unterrepräsentiert. Deshalb gründete sie 2014 mit ihrem Mann Vignesh | |
Vellore und der Journalistin Chitra Subramaniam zusammen [1][ihre eigene | |
Newswebsite]. | |
Die etwa 252 Millionen Einwohner der fünf südlichen indischen Bundesstaaten | |
– Karnataka, Kerala, Telangana, Tamil Nadu und Andhra Pradesh – bevorzugen | |
statt der Amtssprache Hindi ihre eigenen vier Landessprachen. Neben Klima | |
und Geografie unterscheidet sich Südindien auch kulturell vom Rest des | |
Landes, das von Delhi aus regiert wird. Rajedrans Ziel: gegen die mediale | |
Dominanz Delhis anzuschreiben, indem sie dem Süden eine Stimme gibt. | |
„Im Süden haben wir unser eigenes Nachrichten-Ökosystem“, erklärt sie. In | |
Bangalore als Tech-Zentrum sind digitale Medien stark. Doch Delhi ist das | |
politische Zentrum, weshalb die meisten englischen Fernsehkanäle in der | |
Hauptstadt oder in Mumbai sitzen, den bevölkerungsreichsten Städten | |
Indiens. Doch Geschehnisse würden meist erst wahrgenommen, wenn auch das | |
Fernsehen über sie berichte, sagt Rajendran. „The News Minute“ fungiere | |
dabei als Brücke. „Wir stärken die Aufmerksamkeit für den Süden in den | |
sozialen Medien, sodass es keine Möglichkeit mehr gibt, uns zu ignorieren.“ | |
Besonders aufgefallen ist die Vorort-Berichterstattung Rajendrans über | |
[2][die Überschwemmungen im Bundesstaat Kerala im vergangenen Jahr]. | |
Mit ihrer Kombination aus sozialen Themen und mehrheitlich weiblichem Team | |
erreicht TNM als eines der wenigen Online-Nachrichtenseiten in Indien 40 | |
Prozent weibliche Leser. „Wir konzentrieren uns auf Geschichten, die mehr | |
Gehör finden sollten.“ Geschichten etwa, die das Potenzial haben, das Leben | |
einer Person positiv zu beeinflussen. Dazu gehört laut Rajendran auch, dass | |
durch die Berichterstattung Betroffene ihre Entschädigung erhalten. „Für | |
mich sind das die großen Nachrichten“ und nicht Eilmeldungen oder ein | |
exklusives Interview. | |
## Religiöse Spannungen | |
Ihr Erfolg zeigt sich in ihrer Reichweite. Auf Facebook hat die Website | |
846.000 Follower, auf Twitter sind es 125.000, die Rajendran mit ihrem | |
persönlichen Account noch überbietet. In den letzten fünf Jahren haben sie | |
eine Leserschaft aufgebaut, die im Januar 10 Millionen Unique User | |
umfasste. Damit können sie zwar nicht mit Riesen wie Times of India | |
konkurrieren, doch die Mischkalkulation aus Werbeeinnahmen, Partnerschaften | |
und Förderungen, mit der sie den Aufwand für längere Recherchen decken, | |
unterhält knapp 40 Mitarbeiter*innen. Seit Ende 2015 haben sie mit Raghav | |
Bahl und Ritu Kapur sogar ein prominentes Investorduo hinter sich. | |
Heute arbeitet das Team in allen fünf südindischen Bundesstaaten. Es setzt | |
auf Diversität unter den Mitarbeiter*innen, die unterschiedlicher sozialer | |
Herkunft, Religion und sexueller Orientierung sind. Das beeinflusst | |
Berichte über die LGBTQ-Community oder Menschen, die keine große Lobby | |
haben, darunter fallen auch Kinder. „Unser Bewusstsein ist nicht nur | |
geschärft, wir verfolgen die Themen langfristig.“ Rajendrans „Beat“ ist | |
deshalb die Berichterstattung über Kindesmissbrauch. Wie im Falle der | |
Vergewaltigung eines zehnjährigen Mädchens macht sie auf Behördenversagen | |
aufmerksam. Statt Hilfe zu leisten, schikaniert die Polizei dessen Familie. | |
„Diese Vorfälle verärgern mich“, sagt Rajendran. | |
Noch kann Dhanya Rajendran frei berichten – doch die Arbeitsbedingungen für | |
Journalist*innen beschreibt sie als schwierig. Die religiöse Spaltung nehme | |
zu. „Kampagnen verschiedener politischer Gruppen wie der Rechten versuchen, | |
Medien ihre Glaubwürdigkeit abzusprechen.“ [3][Bei der Berichterstattung um | |
einen Tempelprotest] in Südindien wurde auch eine ihrer Reporterinnen | |
verletzt. Was passiert ist, zeige, wie viele Menschen immer noch an | |
überholten Traditionen festhalten. „Viele Leute können nicht unterscheiden, | |
was Nachrichten sind und was Meinung.“ | |
Mit der Ansicht, dass sich Journalismus in Indien verändern muss, damit das | |
Vertrauen in ihn wieder wächst, ist Rajendran nicht allein. Zur gleichen | |
Zeit haben andere bekannte indische Nachrichten-Websites wie [4][„The | |
Wire“] begonnen, sich als unabhängige Medien aufzustellen. Konkurrieren | |
möchte sie jedoch nicht. Indiens Bevölkerung ist divers genug, verschiedene | |
Menschen mit unterschiedlichen News anzusprechen. Rajendrans nächstes Ziel | |
ist es, in allen südindischen Sprachen zu berichten, nicht nur auf | |
Englisch. Ob sie die Finanzierung dafür bekommt, steht noch nicht fest. | |
11 Mar 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.thenewsminute.com/ | |
[2] /Flutkatastrophe-in-Indien/!5525811 | |
[3] /Frauen-duerfen-Tempel-in-Indien-betreten/!5560135 | |
[4] http://www.thewire.in | |
## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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