# taz.de -- Rainer Schäfer Radikale Weine: Dieser Montalcino ist Frauensache | |
Bis vor die Vereinten Nationen hat Emilia Nardi es geschafft: Vor knapp | |
einem Jahr hielt sie in New York einen Vortrag über die Rolle von Frauen in | |
der Landwirtschaft und die Leitung eines Weingutes nach ethischen | |
Prinzipien. Zu denen zählt Nardi auch, Frauen in ihrem Unternehmen | |
besonders zu fördern. Sie selbst sei in der Weinbranche wegen ihres | |
Geschlechts öfter benachteiligt worden, sagt sie. | |
Die Winzerin aus Montalcino in der Toskana ist schon immer einen eigenen | |
Weg gegangen. Traditionen und Konventionen, die sie dabei einschränken | |
könnten, haben sie nie gekümmert. Nardi ist das jüngste von acht Kindern | |
eines Landmaschinenherstellers aus Umbrien. Der hatte 1950 das Weingut | |
Casale del Bosco erworben. Montalcino war damals noch eine unbekannte | |
toskanische Kleinstadt, in der nur eine Handvoll Winzer unauffällige Weine | |
erzeugten. Heute elektrisiert der Name Weintrinker in aller Welt, ein Leben | |
ohne Brunello di Montalcino, der aus der Sangiovese-Traube gekeltert wird, | |
kann sich mancher nicht mehr vorstellen. | |
Gerade einmal 20 Jahre alt war Emilia Nardi, als sie 1985 begann, im | |
Weingut mitzuarbeiten. Fünf Jahre später übernahm sie die Leitung des | |
Betriebs. Wein galt damals als Männersache, Frauen wurde gerne das Büro und | |
das Marketing überlassen. Die mutige und weitblickende Nardi machte sich | |
daran, vieles zu verändern und mit riskanten Entscheidungen auf den Kopf zu | |
stellen. | |
So begann sie eine Zusammenarbeit mit dem französischen Önologieprofessor | |
Yves Glories. Aufwändig wurden die Böden analysiert und das am besten | |
geeignete Rebmaterial selektioniert. Die Einheimischen beobachteten diese | |
Kombination aus traditionellem Weinbau und wissenschaftlicher Forschung | |
misstrauisch – doch ließ sie die Tenute Nardi Mitte der 1990er Jahre zu den | |
besten Erzeugern des Brunello di Montalcino aufsteigen. Zum Weingut gehören | |
inzwischen 80 Hektar Reben, die in 54 verschiedenen Einzellagen stehen. | |
Anders als die drei Brunello-Weine aus dem Jahrgang 2016 ist der einfachere | |
und günstigere Rosso di Montalcino schon zugänglich. Er riecht nach | |
Kirschen, Himbeeren, Gewürzen, Rosmarin und nasser Erde, im Mund werden die | |
kräftigen, griffigen Gerbstoffe von reifen Kirschen begleitet. Als Solist | |
bietet er Genuss und gefällt bei Tisch zu Schmorgerichten: Es ist ein | |
ausdrucksstarker und geselliger Rosso, der einen Ausblick bietet, was der | |
2016er-Brunello einmal zeigen wird. | |
23 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Rainer Schäfer | |
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