# taz.de -- Die Bastler*innen | |
> Stefanie Bürkle hat Berliner naturwissenschaftliche Labore und | |
> Künstlerateliers fotografisch dokumentiert. Eine Ausstellung und ein | |
> Bildband geben Einblick | |
Bild: Die große Unübersichtlichkeit I: Stefanie Bürkle, Atelier + Labor, Ate… | |
Von Dominikus Müller | |
Die Künstlerin Stefanie Bürkle hat wahrscheinlich eines der ausgefallensten | |
Ateliers der an ausgefallenen Ateliers nicht gerade armen Stadt Berlin. | |
Dabei arbeitet Bürkle weder in einer jener beeindruckend ausgreifenden | |
Fabriketagen, deren damals noch billige Mieten während der nuller Jahre zum | |
Mythos von Berlin als Kunstproduktionsstandort maßgeblich beigetragen | |
haben; noch schiebt sie auf einem übergroßen Monitor in einer | |
geschmäcklerischen Großraum-Bel-Etage Pixel hin und her; und schon gar | |
nicht gebietet sie über ein Start-up-mäßiges Heer junger Assistenten aus | |
aller Welt, die an durchdacht konstruierten mobilen Workstations über das | |
nächste Großprojekt brüten. | |
Nein, Stefanie Bürkle, Professorin des Fachgebiets Kunst am Institut für | |
Architektur der TU Berlin, hat ein Atelier, das auf eine Art genau der | |
disziplinär verwinkelten akademischen Position entspricht, die sie | |
bekleidet: Bürkles Atelier befindet sich in einer der Architekturikonen der | |
Stadt, dem von Ludwig Leo gestalteten und 1974 eingeweihten Umlauftank II, | |
einem gigantischen, weithin sichtbaren und zur TU gehörigen Rohrmonster in | |
Altrosa und Königsblau. Der Umlauftank II wurde für Strömungsversuche | |
erbaut; und ist demnach eigentlich ein Labor. | |
Bürkles eigenes Studio kann also zweifellos als stiller Blueprint ihres | |
jüngsten Projekts namens „Atelier + Labor“ gelten. Dafür hat sie – | |
teilweise gemeinsam mit Jürgen Baumann – Berliner Ateliers und Labors (vor | |
allem diejenigen ihres akademischen Arbeitgebers, der TU, die das Projekt | |
als eines ihrer „Jahreskonzepte“ zudem gesondert gefördert hat) | |
fotografisch dokumentiert und gegenüberstellt. Doch während ihr eigenes | |
Atelier im jüngst veröffentlichten Bildband wie ein doppelgesichtiges | |
Centerfold exakt in der Buchmitte sitzt – auf der einen Seite eine | |
Abbildung des Umlaufkanals selbst, auf der anderen eine von Bürkles ganz | |
konkretem Arbeitsplatz –, lässt sie es in der dazugehörigen Ausstellung im | |
Berliner Museum für Fotografie stillschweigend weg. Das ist ein wenig | |
schade, sorgen diese Aufnahmen doch auch für die nötige Verdeutlichung des | |
eigenen Standpunkts im recht verworrenen Geflecht wissenschaftlicher und | |
künstlerischer Institutionen mit ihren jeweiligen Eigengesetzlichkeiten und | |
Strukturzwängen wie -möglichkeiten. | |
Die Serie im Ganzen bedient sich ohnehin eines Looks der dezidierten | |
Neutralität und vermeintlichen Objektivität: Aufgenommen ist sie mit | |
klassischen Großbild- oder Mittelformatkameras und aus, wenn möglich, | |
ähnlichen Blickwinkeln. Die Räume sind stets menschenleer, als wären | |
diejenigen, die dort arbeiten, mal eben vor die Tür geschickt worden. | |
Nichts soll so vom Ziel der Parallelisierung und Vergleichbarkeit der | |
räumlichen Infrastrukturen forschend-experimenteller wie | |
kreativ-schöpferischer Arbeit ablenken. Denn darum geht es: institutionell | |
verschieden verfasste Architekturen als Ausprägungen einer zumindest | |
ähnlich tastend-bastelnd und prozessual-ergebnisoffen strukturierten | |
Wissensproduktion zu präsentieren. | |
Und so stellt sich beim Betrachten schnell eine Art Suchbildmentalität ein: | |
Ist das jetzt das Atelier eine*r Künstler*in? Oder ein wissenschaftliches | |
Labor? Was findet man auf Bild A, was auf Bild B nicht zu finden ist? Und | |
so weiter. Natürlich sind manche Ateliers wie beispielsweise das des Malers | |
Mark Lammert mit seiner Staffelei und den ausgedrückten Farbtuben | |
eindeutig als Arbeitsplatz eines Künstlers identifizierbar. Auf dem | |
angrenzend gehängten Bild aber ist dann ein als „Datenassimilationslabor, | |
Niedergeschwindigkeitswindkanal, Numerische Fluiddynamik“ bezeichneter | |
Forschungsraum der TU Berlin zu sehen – und auch hier findet sich, | |
wenngleich aus Metallprofilen gebaut, ein staffeleiartiges Gerüst. Die | |
Gegenüberstellung betont die Ähnlichkeiten im Aufbau – und legt die | |
Unterschiede im Stil frei. | |
Und so geht es weiter: Karin Sanders rigide organisiertes Atelier mit | |
seinen Regalen voller Archivboxen sieht selbst schon aus wie einer jener | |
abstrahierten Kartonnachbauten, die ihr Kollege Thomas Demand seit Jahr und | |
Tag abfotografiert – und wird hier den ebenso steril-minimalen und | |
reduziert eingerichteten Räumen des Berlin-Brandenburger Centrums für | |
Regenerative Therapien BCRT gegenübergestellt. Jonathan Meeses | |
fabrikhallengroße Malerwerkstatt wird mit der Riesenhalle des Berliner | |
Elektronenspeicherrings konfrontiert – hier zählen Größe und | |
Industriearchitektur als Vergleichseinheiten. Und, um ein letztes Beispiel | |
zu nennen: Das Studio des Künstlers und Soundtüftlers Carsten Nicolai wird | |
passend neben dem Hallraum der Technischen Akustik an der TU Berlin | |
präsentiert. In beiden Bildern sind große Paneele zu sehen. Welchem Zweck | |
sie dienen – zumindest im Falle Nicolais –, wird aber nicht ganz klar. | |
Und so ist auch schon einer der Knackpunkte von Bürkles im Grunde sehr | |
reflektiert angelegtem Projekt benannt. Denn die Fokussierung auf die stets | |
gleich abgebildeten leeren Räume und die dahinterstehende Idee ihrer | |
prinzipiellen Vergleichbarkeit – „an beiden Orten geht es um Experimente, | |
Material, Design und Herstellungsprozesse“, schreibt Bürkle in einem Text | |
im Katalog – schließt notgedrungen vieles aus. Die Frage beispielsweise, | |
welches Wissen hier überhaupt produziert wird. Und für wen? Und wer bezahlt | |
eigentlich dafür? Welche Rolle spielen also beispielsweise die akademische | |
Institutionalisierung des Zwitters „künstlerischer Forschung“ (der auch | |
Bürkles eigenes Projekt zuzurechnen wäre) und die damit verbundenen | |
Förderstrukturen? Und sowieso: Wird Kunstmachen nicht erst unter den | |
Vorzeichen einer umfassend auf Kreativität, Vernetzung und Verwertung von | |
kulturellem Kapital ausgerichteten Wissensgesellschaft überhaupt als | |
diejenige „Wissensproduktion“ beobachtbar, als die sie hier in den Fokus | |
gerückt wird? | |
Mit Blick auf das abwesende Personal dieser Räume ließe sich – Aspekte von | |
Macht und Hierarchie im Hinterkopf – zudem fragen: Welche | |
Wissenschaftler*innen arbeiten eigentlich im Labor und welche sitzen | |
auswertend und schreibend in ihren stinknormalen Büros und sorgen für die | |
Distribution, Institutionalisierung und Verfestigung des Erarbeiteten? Und | |
wie sieht es mit den Künstler*innen und ihren Assistent*innen aus? | |
Natürlich lassen sich derartige Überlegungen im Sinne einer Kritik an | |
Bürkles Serie formulieren. Man merkt dann allerdings schnell, dass sie im | |
Forschungsdesign der Serie schon längst mitbedacht sind. Denn Bürkle ist ja | |
nicht angetreten, um den finalen Beweis der Vergleichbarkeit von Atelier | |
und Labor zu führen (auch wenn man sich des Eindrucks, dass dieser Beweis | |
vor dem Hintergrund der eigenen Verortung auf der Schnittstelle zumindest | |
implizit herbeigewünscht wird, nicht ganz erwehren kann). Nein, im Sinne | |
prozessualen Arbeitens und grundsätzlicher Ergebnisoffenheit stellt die | |
Serie eher selbst eine experimentelle Versuchsanordnung dar. Das Fehlen | |
näherer Erklärungen ebenso wie das sichtbarer Produzent*innen und deren | |
„Produkte“ entpuppt sich dann als Instrument, um in einer Art Schubumkehr | |
die Fragen nach dem Abwesenden, nach den Voraussetzungen und nicht zuletzt | |
nach der Möglichkeit der Vergleichbarkeit selbst eben auf Seiten der | |
Betrachter*innen zu generieren, statt ihnen fertige Ergebnisse und | |
Interpretationen vorzusetzen. Und so ein Vorgehen ist dann doch vor allem | |
eins: Grundbedingung gelingender Kunst. | |
Stefanie Bürkle, Atelier + Labor. Werkstätten des Wissens, noch bis 3. 3. | |
im Museum für Fotografie, Berlin; das gleichnamige Buch ist bereits im | |
Dezember 2018 bei Hatje Cantz erschienen, 200 Seiten, 178 Abb., 38 Euro | |
26 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
Dominikus Müller | |
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