# taz.de -- heute in hamburg: „Die männliche Perspektiveist stärker“ | |
Interview David Günther | |
taz: Pater Richard, wie wichtig sind Geschlechterrollen in der Religion? | |
Richard Nennstiel: Sie sind sehr wichtig, denn in den jeweiligen Heiligen | |
Schriften werden die Geschlechterrollen beschrieben. | |
Wie sind sie beschrieben? | |
Das kommt darauf an, mit welcher Hermeneutik man die Heilige Schrift liest. | |
Es gibt zwei Schöpfungsberichte im Genesis: einen, in dem Gott den Menschen | |
als Mann und Frau erschuf, und einen anderen, in dem die Frau aus der Rippe | |
des Mannes geschaffen wurde. Dadurch entsteht ein anderes Verhältnis. Über | |
die Jahrhunderte hinweg entstand eine männliche Auslegung der Heiligen | |
Schriften. Erst durch die Entwicklung einer feministischen Theologie kam | |
die Frage auf, ob es nicht auch eine andere Perspektive gibt. | |
Wie sieht es heute aus? | |
Derzeit ist noch immer die männliche Perspektive stärker ausgeprägt, denn | |
auch gesellschaftliche Strukturen gehen in diese Richtung. Erst in den | |
letzten Jahren wurde eine größere Sensibilität entwickelt. | |
Gibt es auch starke Frauen in der Religion? | |
Gerade die feministische Theologie hat die starken Frauen herausgearbeitet. | |
Es gab auch Prophetinnen wie etwa Judith. Die wurden jedoch durch die | |
männliche Brille nicht wahrgenommen. Auch in der katholischen Tradition gab | |
es starke Frauen. Katharina von Siena und Hildegard von Bingen | |
beispielsweise. | |
Wie kann man diese Frauen mehr hervorheben? | |
Die Stimmen der Frauen werden immer stärker. Sie geben sich nicht mehr mit | |
einer untergeordneten Rolle zufrieden. Wie in der katholischen Theologie | |
gibt es auch im Islam eine feministische Bewegung, die den Koran nicht nur | |
in der männlichen Perspektive sieht. Eine gegenwärtige Perspektive auf den | |
Koran stärkt die Rolle der Frau und das müssen wir gesellschaftlich | |
weiterentwickeln. | |
Kann die Bibel die Gleichberechtigung auch behindern? | |
Indem die weibliche Perspektive ausgeblendet und die Frau nur als | |
Hilfskraft des Mannes gesehen wird. Für Aristoteles war die Frau eine | |
Fehlbildung des Mannes, daran sieht man, dass in den antiken Kulturen die | |
Perspektive des Mannes ausschlaggebend war. In der heutigen Zeit muss sich | |
die Gesellschaft fragen, ob sie sich an diesem Bild orientieren will oder | |
ob sie das Verhältnis zwischen Mann und Frau ändern möchte. | |
26 Feb 2019 | |
## AUTOREN | |
David Günther | |
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