Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Genieße froh,was du nicht hast
> Die große Werkschau des Bauhausschülers und Fotografen Umbo ist der
> Beitrag des Sprengel Museums in Hannover zu „100 Jahre Bauhaus“
Bild: Umbo, „Ruth mit Maske“, 1927/28
Von Bettina Maria Brosowsky
Auch der Norden Deutschlands ist nicht gefeit vor dem Jubel zur 100sten
Wiederkehr der Bauhausgründung 1919. Das Sprengel Museum in Hannover
eröffnet derzeit das Jubiläumsprogramm für Niedersachsen mit 200
fotografischen Arbeiten eines Bauhaus-Studenten, der allerdings wegen
mangelnder Strebsamkeit und Unangepasstheit schnell relegiert wurde: Umbo,
so der selbstgewählte Künstlername. Dahinter steckt Otto Maximilian Umbehr,
1902 in Düsseldorf als zweites von zehn Kindern in nicht gerade üppige
Verhältnisse geboren, 1980 verarmt in Hannover verstorben. Sein Intermezzo
am Bauhaus in Weimar währte vom Herbst 1921 bis 1923, trotzdem gilt Umbo
neben László Moholy-Nagy als initialer „Bauhaus-Fotograf“. Und das, obwohl
er zu seiner Weimarer Zeit noch gar nicht fotografiert hat, eine
entsprechende Lehre am Bauhaus ohnehin noch nicht existierte. Aber Umbo
erfüllt alle Klischees des neuen Künstlertyps, der, neben der cool
funktionalistischen Produktgestaltung der Ära Gropius, eben auch den Nimbus
der Institution ausmacht: unakademisch, technikaffin, experimentell, die
Feste des Bauhauses mehr liebend als dessen sturen Stundenplan, politisch
eher links und sozial orientiert sowie aktiver Teil einer Gemeinde
Gleichgesinnter, die nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs um den
geistigen Neubeginn rang.
Umbo pflegte zeitlebens die Freundschaft mit einer Handvoll
Bauhaus-Kommiliton*innen und er schätzte seine künstlerische Erweckung
durch die Grundlehre von Johannes Itten in Weimar. Er hatte zum harten Kern
der sektiererischen Mazdaznan-Bewegung um den Schweizer Kunstpädagogen
gehört, bekam aber auch die eugenische Seite dieser keineswegs auf okkulten
Vegetarismus beschränkten Lebensphilosophie zu spüren: Itten zog eine
Verbindung zwischen Umbos Daumenmissbildung und seiner Disziplinlosigkeit.
Gelernt, so Umbo, hätte er von Itten das Bilder-Sehen, die Komposition und
Kontraste, aber wohl auch eine unverstellte Handwerklichkeit, wie sie Itten
seinen Schülern durch die Verwendung weicher Zeichenkohle für spontane,
grafisch wirkungsvolle Ergebnisse nahelegte.
Anschließend in Berlin eine prekäre Künstlerexistenz fristend, dabei oft
obdachlos, kam Umbo 1926 per Zufall zur Fotografie. Sein bereits
arrivierter Bauhauskollege Paul Citroen quartierte den fast Verhungerten
kurzerhand in sein begütertes Elternhaus ein, beide bedienten sich einer
dortigen Fotoausrüstung für autodidaktische Studien.
Schnell fand Umbo seine Berufung und eine typische Handschrift in der
Fotografie: Technisch eher dilettantisch, dafür mit ungewohnten
Ausschnitten und Nahaufnahmen, Mehrfach- oder Überbelichtungen,
konzentrieren sich etwa seine frühen Porträts auf suggestive Details wie
Augenpartie, stark geschminkten Mund oder eine kapriziös das Kinn stützende
Hand seiner weiblichen Modelle. Er sah wundersame lange Schatten der
Straßenarbeiter und Passanten, die die untergehende Sonne aufs Trottoir
warf.
Wie ein Franz Hessel der Kamera begleitete er Künstler, Artisten, sozial
Randständige der oft gar nicht so „goldenen“ zwanziger Jahre durchs urbane
Treiben Berlins: Genieße froh, was du nicht hast. Diese Art zu
fotografieren fand schnell den Weg in die Presse, Umbo wurde 1928 erstes
Mitglied der neuen Fotoagentur Dephot und er unterrichtete um 1929 an
Ittens privater Kunstschule in Berlin. Den Mazdaznan überwunden, galt
Ittens theoretisches Interesse einer experimentell-subjektiven
Lichtbildkunst in Fotografie und Film, er zeigte 1928 eine programmatische
Ausstellung, um die Bandbreite des Mediums vorzustellen.
Im Bereich Porträt stand Umbo neben Walter Peterhans, der gerade die
Fotografie-Abteilung am Dessauer Bauhaus aufbaute. Die anschließende
NS-Zeit überwinterte Umbo mit parteikonformen Auftragsarbeiten, spätem
Wehrdienst, 1943 zerstörte ein Bombenangriff alles: Fotosammlung, eigenes
Archiv, Atelier, Wohnung.
Der Neubeginn in Hannover war auch privat schwierig, eine zweite Karriere
wollte nicht glücken. Mag sein, dass die Medien nun einen distanzierteren
Bildzugriff verlangten, mag sein, dass die technisch bescheidenen Fotos die
Qualitätsstandards eines Otto Steinert unterliefen, ihnen daher
künstlerische Anerkennung verwehrt blieb. Durchzeichnung, Grauwerte,
Spitzlichter: das alles interessierte Umbo wenig. Er rekonstruierte sein
Vorkriegswerk, Freunde gaben Arbeiten zurück.
So entstand ein Konzentrat aus „guten Fotografien“, Umbo fand es nicht
repräsentativ, sah sich dadurch maßlos überschätzt. Ältere
Hannoveraner*innen erinnern ihn als Faktotum in der Kestner Gesellschaft,
der Kontakt zu Künstler*innen war sein Lebenselixier, er selbst, trotz
später lokaler Wiederentdeckung, wohl von bewundernswerter Genügsamkeit.
Nach jahrelangen Verhandlungen ist 2016 Umbos Nachlass für offiziell 3,4
Millionen erworben worden, aufgeteilt auf seine Wirkungsstätten Bauhaus,
Berlin und Hannover. Wie leider so oft, machten Kunsthandel, Juristen und
Erben einen Reibach, statt mit großzügiger Schenkung oder Dauerleihgabe
einer selbstverschwenderischen Künstlerpersönlichkeit die letzte Ehre zu
erweisen.
Bis 12. Mai, Sprengel Museum Hannover, ab 8. September Bauhaus Museum
Dessau, vom 21. Februar bis 25. Mai 2020 Berlinische Galerie, Berlin,
Katalog (Snoeck Verlag) 48 bzw. 58 Euro
21 Feb 2019
## AUTOREN
Bettina Maria Brosowsky
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.